Filmabend: Was wir schon immer über Sex wissen wollten…

…aber bisher nicht zu fragen wagten. Unser heutiger Filmabend entführt uns in die direkte und unverblümte Welt der sexuellen Aufklärung und Revolution. Insbesondere die 60er und 70er Jahre waren prägend für unsere heute – zumindest partiell – unverklemmte Sexualmoral, deren Innovatoren und Wegbereiter wir heute cineastisch aufarbeiten wollen. Wir streifen an unserem Filmabend genau jene Jahrzehnte, bekommen von Woody Allen Antworten auf die dringlichsten Sex-Fragen, lernen mit Helga und Oswalt Kolle alles, was wir über unseren Körper wissen müssen und wohnen schließlich Andy Warhols intimem Blick auf die Sexualität von Paaren bei. Dazu werfen wir einen Blick auf die Ursprünge der sexuellen Revolution mit Alfred Charles Kinsey und schließen mit einem cleveren Kurzfilm den Bogen zur Sexualaufklärung von heute. Sieben Stunden, nach denen man alles Wichtige weiß, was man wissen muss. Viel Spaß!

Vorfilm:

Clever Dicks use Condoms [Rémi Noël]

(Frankreich 2010)

Wir beginnen erst einmal mit etwas Aufklärungsarbeit und einem… nunja… Werbeclip. Der von der französischen Aids-Aufklärungsplattform AIDES in Auftrag gegebene Kurzfilm „Clever Dicks“ ist ein wunderbar beschwingter, ironischer und zugleich treffsicherer Beitrag zum Einsatz für einen bedachten Umgang mit der Sexualität. Schlaue Schwänze greifen zu Kondomen. Die Botschaft ist eindeutig, mit viel Esprit und Verve rübergebracht. Ein schöner, launischer Start in den Filmabend.

Hauptfilme:

Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten [Woody Allen]

(USA 1972)

Und weiter gehts mit einem echten Aufklärungsklassiker aus den 70er Jahren. Wer anders als Chefneurotiker Woody Allen könnte uns versteckte Geheimnisse der Liebe und Lust näher bringen? Wenn Riesenbrüste Amok laufen, Männer sich zu Schafen auf seltsame Weise hingezogen fühlen, wenn Spermien keine Lust darauf haben ins Taschentuch gefeuert zu werden und ein Hofnarr versucht die Königin mit einem Aphrodisiakum zu verführen und am Jungferngürtel scheitert, werden wirklich die letzten und auch allerletzten Fragen zum Thema Sexualität beantwortet. Woody Allens „Everything You Always Wanted to Know About Sex* But Were Afraid to Ask“ ist ein großartiger Episodenfilm-Spaß mit viel Polemik, offener und hintergründiger Gesellschaftskritik sowie eine absurde Farce und ironisch zugespitzte Satire auf den Aufklärungswahn der 70er Jahre.

Als die Liebe laufen lernte [Michael Strauven]

(Deutschland 1988/1989)

Wenn wir jetzt schon so tief drin stecken im Aufklärungswahn der 70er Jahre, sollten wir auch gleich so konsequent sein, uns Bilder dieser Zeit anzuschauen. Aber wo anfangen? Bei den zahllosen Oswalt Kolle Filmen? Bei den schmierigen Schulmädchen-Report-Versionen? Mit dem Klassiker Helga? … Nein, wir nehmen sie gleich alle. Der Dokumentarfilm „Als die Liebe laufen lernte“ zeigt die schönsten, albernsten, süffisantesten und provokantesten Filmszenen der 60er und 70er Kino-Aufklärungswelle. Was hat das Kino für die sexuelle Revolution der Gesellschaft getan? Inwiefern spiegeln die Filme der damaligen Zeit die Spießigkeit der BRD und DDR wider? Was haben wir aus diesen Filmen gelernt? Was wirkt heute absurd, komisch, öde oder gar politisch unkorrekt? All diese Fragen beantwortet die zweiteilige Doku von Michael Strauven auf herrlich schwungvolle und lustige Weise, während sie zugleich ihrem Sujet genügend Respekt entgegenbringt. Aufklärung zur historischen Aufklärung, wie sie schöner nicht sein könnte. Wer gutes Sitzfleisch hat, kann beide Teile (je 80 Minuten) hintereinander schauen. Zur Not tuts auch nur der erste Teil „Die Aufklärungsrolle“.

Kinsey – Die Wahrheit über Sex [Bill Condon]

(USA 2004)

Bei einem derartigen Überschuss an 60er und 70er Aufklärungsarbeit sollte unser letzter Hauptfilm in Erinnerung rufen, wo die Wiege der sexuellen Revolution im 20. Jahrhundert liegt. Unter anderem nämlich bereits in den 40er und 50er Jahren, konkret in den Untersuchungen von Alfred Charles Kinsey, der mit seinen Sex-Reporten damals in den  verklemmten USA einen regelrechten Skandal auslöste. Sein Leben und ambivalenter Charakter wurden in dem 2004er Independentfilm Kinsey sowohl empathisch als auch kritisch porträtiert. Kinsey ist eine sensible Tragikomödie und zugleich ein spannendes Biopic über eine mehr als streitbare Person. Ein faszinierender Ausflug in die Kindheits- und Jugendjahre der sexuellen Revolution, in einer Zeit in der alles erlaubt und gleichzeitig alles verboten war. Packend inszeniert, herausragend gespielt und ein großartiger Abschluss für den Filmabend, der nicht nur Fragen über Sex beantwortet, die man nicht zu fragen wagte sondern auch diese, deren Antwort man vielleicht gar nicht so genau wissen wollte.

Nachtprogramm:

Blue Movie [Andy Warhol]

(USA 1969)

Wie siehts aus? Ist noch Lust und Kraft vorhanden für einen weiteren Film? Dann auf ins optionale Nachtprogramm. Die Theorie haben wir hinter uns, also können wir (endlich) zur Tat schreiten. Blue Movie – die Umgangssprachliche Bezeichnung in den USA für einen Pornofilm – lässt sich genau in diesem Genre Verorten. Der avantgardistische Pop Art Künstler Andy Warhol dreht seine Freunde Viva und Louis Waldon beim gemeinsamen Plausch, im Bett kuschelnd und schließlich auch beim Sex. Alternativtitel folgerichtig „Fuck“, und selten war eine so unverkrampfte cineastische Darstellung der schönsten Nebensache der Welt zu sehen. Keine Pornostilisierung, kein schamhaftes Abblenden, aber auch kein voyeuristisches Draufschauen… just the sexual reality. Heiter, authentisch, ehrlich und zugleich wunderschön. Anregend, aufreizend… keine Frage. Aber eben nicht im klassischen, platten Pornosinn sondern als für sich stehendes Statement.

Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

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Kulinarisches:

Natürlich soll es an diesem Abend genussvoll und auch leicht werden… eben ganz im Sinne des Filmprogramms.

Quiche und Tarte

Leicht und trotzdem lecker sind verschiedene Quiche- und Tarte-Variationen, aus denen man sich frei bedienen kann. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Kürbis-Tarte oder Kürbis-Ziegenkäse-Quiche, wie sie bei Crockyblog serviert wird? Ebenfalls interessant, eine Brennessel Spinat Quiche oder, wenn es etwas schneller und einfacher gehen soll, eine Quiche mit Apfel, Lauch und Salami (alternativ Schinken).

Käse-Obst-Platte

Richtig, zum Naschen für zwischendurch verzichten wir einfach mal auf den ganzen schweren Knabber- und klebrigen Süßkram und geben uns echtem Fingerfood-Genuss hin. Eine gut zusammengestellte Käseplatte (was das Herz begehrt) inklusive verschiedener Obstsorten: Trauben, Äpfel, Pflaumen… ebenfalls ganz nach Geschmack und Facon.

Getränke

Auch an dieser Stelle kann es ein wenig edler sein. Ein guter halbtrockener Weißwein… vielleicht auch etwas liebliches. Wer hart im Nehmen ist, kann gerne zum Sekt greifen (ich verzichte wegen akkuter Kopfschmerzgefahr). Auch Prosecco oder gar widerliche Fruchtsekte sind drin. Dann könnte der Abend aber schnell andere Wendungen nehmen als beabsichtigt.

Atmosphäre:

Yeahh… wir bewegen uns in den 60ern und 70ern… und natürlich ist hier Psychedelic und Prog Rock mit einem gewissen Sexappeal angebracht: Ganz klar The Velvet Underground and Nico, gerne auch mehr von Lou Reed und seinen Mannen, gerne auch mehr von Nico. Ein wenig atmosphärischer Krautrock von Can kann es auch sein, durchaus passend zu Oswald Kolle Bildern, auch wenn man das zuerst nicht glauben mag. Wenn es ein bisschen romantischer und (folk)poppiger sein soll, dürfen Sonny und Cher in die Presche springen. Die haben wir ja vor kurzem erst abgefeiert und deren verträumter Pärchen-Pop besitzt auch den nötigen Schuß sexuellem Subtext, um zum Filmmaterial zu passen.

Eckdaten:

Filmabend: Was wir schon immer über Sex wissen wollten…

Geeignete Mitgenießer: Natürlich in erster Linie der Partner, die Partnerin (im weitesten Sinne des Wortes). Eventuell auch die beste Freundin, der beste Freund. Sadistisch wäre es das Programm mit den eigenen Kindern durchzuziehen, masochistisch, mit den eigenen Eltern. Davon kann nur abgeraten werden.

Programm: 1 Werbeclip, 4 Langfilme + 1 Essen

Dauer: ~7 Stunden

Empfohlener Beginn: 19 Uhr

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Erstveröffentlichung: 2011