Schlagwort: 1960er

Once upon a time in Hollywood… – Quentin Tarantino der Märchenonkel

Once upon a time… Der Titel von Quentin Tarantinos – nach selbstgewählter Zählweise – neuntem Film sagt bereits, wohin die Reise geht. Tarantino schreibt schon lange keine Geschichten mehr, er schreibt Geschichte um. So ließ er in Inglorious Basterds (2009) in einem fulminanten, komplett von der Realität entfremdeten, Showdown, Hitler und all seine Nazischergen in einem Massaker umkommen, so ließ er in Django Unchained (2012) einen einsamen schwarzen Helden auf radikale Weise die Sklaverei mit einem Handstreich zerstören und so feierte er in The Hateful Eight (2015) in einem dramatischen Blutbad die Versöhnung zwischen dem schwarzen und dem weißen Amerika. Tarantino ist schon lange nicht mehr einfach nur der postmoderne Brutaloprovokateur, er ist viel mehr so etwas wie der Märchenonkel des postmodernen Referenzkinos. Und im Grunde genommen war er das schon immer. Hat er nicht bereits in Kill Bill die Kinogewalt praktisch unter einer Tonne Comicsauce begraben? Hat er nicht bereits in Pulp Fiction und Jackie Brown aus dem Gangsterkino eine Nummernrevue gemacht, inklusive Tanz- und Gesangseinlagen? Und hat er nicht selbst bereits in seinem Debüt Reservoir Dogs das Narrativ über dem Geschehen triumphieren lassen, indem er Zeit einfach zu erzählter Zeit werden ließ. Das mag etwas verklärt und zurecht gerückt wirken, aber wie könnte man auch anders, wenn er in Once upon a time in Hollywood (2019) derart selbstverständlich wie ein Märchenonkel daherkommt. Es war einmal… und das ganz ohne Zynismus und derbe Note… Naja… fast… schließlich handelt es sich hier ja immer noch um Quentin Tarantino.

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Die besten TV-Serien der 90er Jahre IV

Auf zum letzten Teil unserer 90er TV-Kanonisierung. Dieses Mal gibt es viel Teenagerherzschmerz, einmal der realistischen und zugleich hochästhetischen Art mit der wundervollen Drama-Serie Willkommen im Leben, einmal als warmherziges Nostalgie-Paket Wunderbare Jahre. Neben Teenagern war die Dekade gegen Ende besonders von den Arzt- und Krankenhausserien geprägt. Der Vorreiter Emergency Room soll hier nicht unterschlagen werden, ebenso wenig die makabere, surreale Umsetzung des Topos in Lars von Triers grotesker Horrorserie Hospital der Geister. Zum Lachen gibt es dann aber auch noch was: Das großartige Review-Format Mystery Science Theater 3000 und die sarkastische, trockene High School Außenseiterin Daria. Alles ordentlich sortiert und rezensiert… nach dem Klick.

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Rezension zum 2019er Oscar Bait Successor Green Book

Direkt ins Deutsche übersetzt bedeutet to bait so viel wie ködern. Ein Oscar Bait Movie ist ein Film, der – unabhängig von seiner Qualität – weniger ein Film als viel mehr ein Köder ist, der ausgeworfen wird in der Hoffnung, dass die Academy zubeißt. Oscar Bait ist mehr als nur ein eigenes Genre, es ist eine Herausforderung, vielleicht sogar eine Art Religion für viele Regisseure und Produktionsstudios. Dabei muss man den Academy Awards der 2010er durchaus zu Gute halten, dass ihre Jurys nicht immer bei diesen Bait Movies anbeißen, gerne auch mal die filmischen Köder ignorieren (ohnehin waren die Oscars in den letzten Jahren weitaus besser als ihr ruf): 2015 zum Beispiel gewann eben nicht das epische Drama Whiplash den Award für Best Picture, sondern der deutlich grimmigere, surreale Birdman. 2017 konnte sich der zurückhaltende Moonlight gegen das pompöse Hollywood-Märchen/Musical La La Land durchsetzen, und 2018 – ein unfassbar starkes Jahr, wenn man sich die Nominierten ansieht – siegte The Shape of Water gegen Chris Nolans oscarreifes Weltkriegsepos Dunkirk. Heuer war – abgesehen von Blackkklansman – ein Jahr mit eher schwacher Konkurrenz und so durfte (endlich mal wieder?) der wohl oscarbaitigste Film des Vorjahres Green Book (2018) gleich mehrere Preise, inklusive bester Film, abräumen. Aber hat er die Auszeichnung, der beste Film des Jahres 2018 zu sein, auch verdient?

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Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer – Michael Endes Buch (1960) vs. Augsburger Puppenkiste (1976) vs. Kinofilm (2018)

Mein erster Kontakt mit den Figuren Jim Knopf, Lukas dem Lokomotivführer, ihrer Lokomotive Emma sowie den anderen Charakteren aus Lummerland, Mandala und der Drachenstadt geschah wie wohl bei vielen anderen Kindern, die in den 80ern groß wurden, nicht über den Roman von Michael Ende sondern seine äußerst berühmte Verfilmung durch die Augsburger Puppenkiste (die 70er Variante in Farbe, um das noch schnell klarzustellen). Wie ich viele Jahre, wohl eher Jahrzehnte, später feststellen sollte, macht das auch total Sinn. Der Roman Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (1960) ist nicht einfach nur eine Kindergeschichte; das auch, ja. Aber viel mehr ist er eine bissige, anarchische Satire auf die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik seiner Zeit. Wild, wüst, obrigkeistkritisch, subversiv, und zugleich dennoch äußerst imaginativ und fantastisch. Die Verfilmung der Augsburger Puppenkiste (1977) dagegen ist mehr als nur eine Interpretation, die auf das politische Moment der Vorlage verzichtet: Sie ist anschmiegsam, liebreizend, ja, eine Infantilisierung des Stoffes, sowohl im positiven wie im negativen Sinne. Im Grunde genommen eine fantastische Geschichte für die Kleinsten (Mein Dreijähriger steht schon total drauf), die die Struktur der Vorlage nutzt und damit etwas komplett neues schafft. Etwas, was in seinem eigenen engen Korsett durchaus funktioniert. Und dann gibt es ja auch noch, seit mittlerweile gut einem Jahr, die neue Realverfilmung Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (2018) mit ordentlich Budget aber auch Einfallsreichtum im Rücken, um den Stoff erneut komplett neu oder zumindest ein wenig anders zu interpretieren. Grund genug die drei äußerst erfolgreichen Werke einmal nebeneinander zu halten.

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Filmabend: Was wir schon immer über Sex wissen wollten…

…aber bisher nicht zu fragen wagten. Unser heutiger Filmabend entführt uns in die direkte und unverblümte Welt der sexuellen Aufklärung und Revolution. Insbesondere die 60er und 70er Jahre waren prägend für unsere heute – zumindest partiell – unverklemmte Sexualmoral, deren Innovatoren und Wegbereiter wir heute cineastisch aufarbeiten wollen. Wir streifen an unserem Filmabend genau jene Jahrzehnte, bekommen von Woody Allen Antworten auf die dringlichsten Sex-Fragen, lernen mit Helga und Oswalt Kolle alles, was wir über unseren Körper wissen müssen und wohnen schließlich Andy Warhols intimem Blick auf die Sexualität von Paaren bei. Dazu werfen wir einen Blick auf die Ursprünge der sexuellen Revolution mit Alfred Charles Kinsey und schließen mit einem cleveren Kurzfilm den Bogen zur Sexualaufklärung von heute. Sieben Stunden, nach denen man alles Wichtige weiß, was man wissen muss. Viel Spaß!

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Die besten Drogenfilme der 90er Jahre

Wir gehen weiter in unserer 90er Retrospektive zu einem wahrscheinlich nur vermeintlich kleinen Subgenre, das in diesem Jahrzehnt omnipräsent war. Drogen waren der Pop dieses Jahrzehnts. Auf die eher düsteren 80er folgte eine hedonistische Dekade, in der möglichst lange, euphorisch und ekstatisch gefeiert wurde. Ectasy wurde schnell zur Modedroge Nummer eins, und ebenso wie sich LSD auf das Wirken vieler Filmemacher der 60er auswirkte, hatten die 90er-Rauschmittel Einfluss auf die Filme ihrer Zeit. Es gab den Heroin-Chic, es gab die Ecstasy-Coolness und die Kokain-Dekadenz. Doch genau wie es in den Kriegsfilmen der Dekade nur selten wirkliche Gewinner gab, sind auch die hier nominierten Filme kein affirmatives Statement für Drogen, sondern spiegeln in ihren besten Momenten all jene Ambivalenz wider, die der Kultur des Rausches seit jeher anhaftet.

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Be seeing you, Number Six! – Das “The Prisoner” Remake von 2009

Be seeing you! – war der geflügelte Abschiedsgruß der Einwohner des namenlosen Dorfes „The Village“ in der britischen Serie „The Prisoner“ (Lief im deutschen Fernsehen unter dem Titel „Nummer 6“). Die psychedelische, surreale Agentenserie von 1967 ist mehr als nur eine von vielen Schirmen, Charmeuren und Melonen. Sie ist der Prototyp der modernen Mysteryserie, die heuer eine abermalige Renaissance erlebt. Wer sich jemals fragte, was eigentlich hinter dem mysteriösen weißen Ballon steckt, wer immer schon wissen wollte, wer nun tatsächlich die ominöse Number One ist und wer immer wieder den Sinn eines Heile-Welt-Gefängnisses inklusive nummerierter Bewohner hinterfragt hat, der weiß, dass die ganzen X-Akten, Losts, Outer Limits und Twin Peaks nichts anderes sind als Epigonen. All die Mysterien, obskuren Ereignisse und ungelösten Irrealitäten der jüngsten TV-Geschichte wären unvorstellbar ohne das britische Vorbild.

Und was passiert nun? Ein Remake! Eine nur sechsteilige Miniserie (Das Original brachte es immerhin auf 17 Episoden) und dann auch noch ausgerechnet aus den USA, der Albtraumfabrik für Remakes, die ihrem Original Schande bereiten. Das kann doch nur in die Hose gehen. Oder?

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Regisseur Sidney Lumet gestorben

Gestern ist der amerikanische Regisseur Sidney Lumet im Alter von 86 Jahren gestorben und hinterlässt damit eine große Lücke in der amerikanischen Filmszene. Lumet gehörte zu jenen Regisseuren, die über die Jahrzehnte hinweg unermüdlich drehten, sich selbst nie verrieten, neue Filmkonzepte und Bewegungen in ihre Arbeit aufnahmen und dennoch ihrem eigenen Werk treu blieben. Davon zeugt seine beeindruckende Filmographie, deren Beginn in den 50er Jahren liegt und die bis in das 21. Jahrhundert reicht. Ein kleiner Rückblick…

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