Die besten Filme der 2000er Jahre für Musikliebhaber II
Thank you for the music again…. und damit tatsächlich unsere allerletzte Filmretrospektive der 00er Jahre. Einen kleinen TV- und Seriennachschlag gibt es zwar noch, das Kinojahrzehnt ist hiermit aber tatsächlich (wirklich) endgültig abgehakt. Viel Spaß…
Ray [Taylor Hackford]
(USA 2004)
‚Thats the man‘ soll Ray Charles persönlich gesagt haben, als ihm Jamie Foxx als Darsteller für seine Biographie präsentiert wurde. Kein Wunder: Schauspielvirtuose Foxx verkörpert die Soul-Legende mit Leib und Seele. Er lässt den Schweiß, die Leidenschaft und den unnachahmlichen Stil des legendären Musikers lebendig werden. Aber auch abseits vom grandiosen Acting ist Ray ein Fest für Musikliebhaber: Von Ray Charles persönlich beraten – der leider kurz vor der Fertigstellung verstarb – atmet der Film den Geist seiner Zeit ebenso wie die Hingabe für die großartige Musik, verschweigt aber auch nicht die Schattenseiten seines Sujets. Ein grandioses Biopic, zwischen berührendem Lebensweg und würdiger Hommage an ein fantastisches musikalisches Genre.
American Hardcore [Paul Rachman]
(USA 2006)
Hardcore Punk: Voll, satt und direkt auf die Fresse. Das Mammutwerk American Hardcore beleuchtet fast zehn Jahre Punkrock-Geschichte und taucht dabei tief ein in den Hardcore-Geist der frühen 80er Jahre. Zu Wort kommen zahllose Genregrößen von Black Flag über Dead Kennedys bis hin zu Fugazi und Agnostic Front. Dazu kommen eine Menge wackliger Zeitzeugnisse, die hier in dieser Form überhaupt zum ersten Mal dokumentiert und dokumentarisch begleitet werden. Eine perfekte Mischung aus Zeitporträt, großartiger Musik und ordentlich politischem Punkvibe… wie gesagt: Voll auf die Fresse und schlicht mandatory für jeden Punkrock-Fan.
Heima [Dean DeBlois]
(Island 2007)
So ein bisschen Punk und auch so ein bisschen Hardcore waren die Isländer Sigur Ros ja irgendwie schon immer. Mit ihrem verschachtelten, ganz eigenen symphonischen Postrock prägten sie zu Beginn der 2000er das Genre entscheidend mit und kreierten einen ganz eigenen Sound zwischen avantgardistischen Introspektion und fulminanten Ausbrüchen. Ganz ähnlich kommt auch ihr kleines Filmjuwel Heima (Heimat) daher: Konzertaufnahmen verbunden mit wundervollen Naturfilmmotiven, Musik und Land, Event und Porträt in harmonischer Eintracht. Damit ist heima die optimale Ergänzung zum Sound der Band und zudem ein faszinierender Liebesbrief an Island.
24 Hour Party People [Michael Winterbottom]
(Großbritannien 2002)
Von der filmischen Umsetzung avantgardistischer Musik zu einem wahrhaft avantgardistischen Filmerlebnis, das nicht an absurden und experimentellen Einlagen spart. 24 Hour Party People erzählt die Entwicklung vom britischen Punk der späten 70er Jahre bis hin zum Rave der frühen 90er und weiß dabei selbst nie so ganz, ob er nun Dokumentation, Stimmungsbild oder fiktionales Sittengemälde sein will. Gut so! Denn dadurch kann dieser irre Hybrid von einem Film seinen ganz eigenen Charme und Drive entwickeln, irgendwo zwischen Fantasy, Doku und Liebeserklärung: Mit von der Partie sind unter anderem The Fall, Buzzcocks und vor allem Tony Wilson, der auf hervorragende Weise hier den Kurator dieser irren Zeitreise verkörpert.
Patti Smith: Dream of life [Steven Sebring]
(USA 2008)
Patti Smith ist ohne Zweifel eine der Godmothers of Punk Rock. Mit ihrer rauen und progressiven Mischung aus Folk, Songwriter, Psychedelic und Proto-Punk hat sie die Musik der 70er und 80er Jahre entscheidend mitgeprägt. Darüber hinaus ist Patti Smith eine Universalkünstlerin: Musikerin, Dichterin, Malerin… Steven Sebrings Dokumentation Dream of Life widmet sich dem vielschichtigen Talent der legendären Songwriterin. Dabei entsteht ein intimes, persönliches und sehr nahe gehendes Porträt einer beeindruckenden Künstlerin und Persönlichkeit: Zwischen Punk, Sub- und Nischenkultur, Pop- und Massenkultur, sowie Hochkultur und gehobener avantgardistischer Entfaltung. Ein spannendes Porträt für Patti Smith Fans aber auch die, die ihr grandiose Lebenswerk kennen lernen wollen.
Dixie Chicks: Shut up & sing [Barbara Kopple, Cecilia Pick]
(USA 2006)
Die Roots der Dixie Chicks könnten vom Punk nicht weiter entfernt sein… Klassischer, poppig aufgepeppter Country mit Folk und Songwriterelementen war seit jeher ihr Markenzeichen. Ein Genre, das eine eher konservative Hörerschaft anzieht. Umso verwirrter waren diese Hörer als die Dixie Chicks in den 00ern anfingen gegen George W. Bush und den Irakkrieg zu wettern. Die Reaktionen darauf sind ohnesgleichen: Massenhaft vernichtete CDs, Radioboykotte, gesörte Konzerte und schließlich sogar persönliche Drohungen bis hin zum Mordaufruf. Die Polit- und Musikdoku Shut up & sing zeichnet die Probleme der Band nach ihren Äußerungen nach, beschäftigt sich mit der beispiellosen Kampagne konservativer Medien gegen die Chicks, ebenso aber auch mit dem Kampf der Band für Meinungsfreiheit. Ein spannendes Porträt und ein ambivalentes Bild amerikanischer Countrymusik: Zwischen Traditionalismus, faschistoiden Tendenzen und rebellischem, progressiven Gestus.
School of Rock [Richard Linklater]
(USA 2003)
Fuck yeah! Jack Black is the man! Mit Tenacious D. der einzig legitime Retter des Rock. Eine echte Type, eben jemand den man lieben oder hassen muss. In School of Rock von Richard Linklater (Waking Life) bringt er kleinen Gören die Rockmusik näher, greift dabei auch mals selbst zur Klampfe und schafft somit eine herrlich überdrehte Hommage an alle Spielarten der gitarrenlastigen Musik. School of Rock ist saukomisch, albern, überdreht und vor allem loud as hell…. und dennoch oder gerade deswegen immer zutiefst respektvoll seiner Musik gegenüber. Ein herrlicher Abgesang auf die klassischen Werte der Rockmusik und obendrauf noch eine perfekt abgestimmte nostalgische Komödie der alten Schule. Klar, kein Meisterwerk, aber ein Fest für alle Rockenthusiasten.
High Fidelity [Stephen Frears]
(USA 2000)
Und nochmal Jack Black… Allerdings nur in einer Nebenrolle. High Fidelity hatten wir ja schon bei den besten Komödien des Jahrzehnts, für die Musikliebhaber sollte er aber noch einmal extra genannt werden: Top-Five-Listen, autobiographisch sortierte Plattensammlungen, monologische Zwiegespräche, in die sich Bruce Springsteen einschaltet… High Fidelity ist ein Fest für jeden Musiknerd. Ganz nebenbei findet auch noch eine RomCom statt, aber mal ehrlich: Wen interessiert das schon? Der größte Spaß an High Fidelity ist es, wie sich John Cusack und seine Kumpels stundenlang über Musik auslassen, lästern, sticheln und natürlich sich vom Pop mitreißen lassen.
Do it again [Robert Patton-Spruill]
(USA 2009)
Die Kinks zählen nach wie vor zu den großen Rock N Roll Legenden und Urvätern des Brit-Pop. Da liegt natürlich die Frage nahe: Warum die voneinander entfremdeten Davies-Brüder nicht wiedervereinen? Genau diese Frage stellte sich auch der Boston Globe Reporter Geoff Edgers und begab sich auf eine Suche nach der Geschichte der erfolgreichen britischen 60’s Band, ebenso aber auch nach einer potentiellen Zukunft der Rock-Urväter. Robert Patton-Spruill hat diese leidenschaftliche Jagd nach einer unwahrscheinlichen Reunion begleitet und Dokumentiert. Heraus gekommen ist ein faszinierendes Porträt zwischen Rock N Roll Nostalgie sowie Künstler- und Familiendrama. Ergänzt durch unzählige Künstlerinterviews, immer zwischen historischer Retrospektive und aktueller Musikbegeisterung und dabei zu jedem Zeitpunkt mitreißend und begeisternd.
Almost famous [Cameron Crowe]
(USA 2000)
Und zum Abschluss noch ein Werk, in dem es dann vielleicht doch weniger um die Musik als viel mehr um den Zeitgeist geht, der eine bestimmte Musik begleitet. Die partiell autobiografische Tragikomödie Almost Famous handelt vor allem von denen, die Begleiter des großen Rockzirkus der 70er Jahre waren: Die Musikjournalisten, die Groupies und Roadies, die, die nebendran standen und die, die mitten drin waren, als Sex, Drugs und Rock N Roll die Mentalität der Musik dominierten. Ein großartiges Zeitporträt zwischen Tragik und Komik, großer Erzählung und realistischem Zeitporträt. Wahrscheinlich sogar der unterhaltsamste Musikfilm dieser Dekade.