Kommt Twin Peaks Staffel 3?

Die beste Nachricht – oder besser gesagt das beste Gerücht – zum Jahresbeginn kommt aus der amerikanischen TV-Serienlandschaft. Wie ich schon vor ein paar Tagen auf Nerdcore aufgeschnappt habe, scheint eine dritte Staffel der Kultserie Twin Peaks (1990 – 1991) derzeit durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen. Auslöser der Spekulationen ist ein 4Chan-Posting, dessen Verfasser behauptet, bei einem mutmaßlichen Treffen von David Lynch und einigen NBC-Verantwortlichen anwesend gewesen zu sein. Die dritte Staffel soll laut diesem Posting in unserer Zeit angesiedelt sein, also 20 Jahre nach der Handlung der ersten und zweiten Staffel spielen. David Lynch will das Gros des alten Castes für die Serienfortsetzung zurück haben, inhaltlich soll ebenfalls alles dort anknüpfen, wo die Serie damals – so gehässig – endete. Der gute Agent Cooper ist nach wie vor in der Lodge gefangen, während eine junge Reporterin sich anmacht die Geheimnisse um Twin Peaks zu lüften. Bad Cooper sitzt zwischenzeitlich im Gefängnis für den Mord an zwei Twin Peaks Einwohnern (die arme Annie). Und beginnen soll die Serie mit einer Nachstellung der berühmten Redroom-Szene aus Staffel 1.

Ein paar Gedanken dazu: Ja, ja, ja! Das macht alles mehr als Sinn. Normalerweise stehe ich Gerüchten genau so skeptisch gegenüber wie Fortsetzungen oder Remakes von Serienklassikern, aber bei Twin Peaks ist das was anderes. Erinnern wir uns: Der berühmte Traum Coopers im roten Raum spielt zwanzig Jahre in der Zukunft,  Kyle MacLachlan wurde für diese Szene extra alt und faltig geschminkt. Zumindest ein kleiner Hint, dass Frost und Lynch durchaus schon damals die Option einer zwanzig Jahre später stattfindenden Fortsetzung im Sinn gehabt haben könnten. Hinzu kommt der wahnsinnig offene Abschluss der Serie, der damals so manchen Zuschauer unbefriedigt und aufgewühlt zurück gelassen hat.

Es dürfte nicht wenige Fans geben, die ohnehin ein zwiegespaltenes Verhältnis zur zweiten Staffel der Serie hatten. Obwohl die Enthüllung des Mörders Laura Palmers damals Frost und Lynch vom Sender aufgeschwatzt worden war (beide hatten nie vorgehabt, den Mord in der Serienhandlung endgültig aufzuklären), war damit die Serie in der Mitte der zweiten Staffel zu einem runden Abschluss gelangt. Die Geschichte um den besessenen Leland und den Missbrauch innerhalb der Familie war eine perfekte Projektion des restlichen Serien-Geschehens, das in erster Linie davon lebte, die dunklen Geheimnisse hinter der Fassade der vermeintlichen Idylle eines kleinen Städtchens aufzudecken. Trotz der surrealen Versatzstücke und fantastischen Elemente ließ sich Twin Peaks so im Kern als eine metamediale Parabel auf die Abgründe der amerikanischen Gesellschaft lesen: Missbrauch, häusliche Gewalt, Traumata… diese ganz klassischen Motive ergänzt durch die Auseinandersetzung der Serie mit amerikanischen Soap-Prinzipien erzeugen ein verwirrendes aber rundes Gesamtkunstwerk, das sowohl satirisch als auch psychoanalytisch, parabolisch als auch surreal funktioniert.

Mit der Weiterführung der zweiten Staffel wurde dieser runde Abschluss aufgebrochen. Die Geister waren plötzlich weniger innere Dämonen als viel mehr konkrete Entitäten, die Bedrohung des Idyllischen kam nicht mehr von innen, aus sich selbst heraus, sondern wurde verkörpert von Special Agent Windom Earle von außen nach Twin Peaks getragen. Die Lodge hatte plötzlich weniger mit den eigenen psychischen Abgründen zu tun sondern war viel mehr ein real existenter, mysteriöser Ort, inklusive Alien- und Spuk-Topoi. Zusätzlich wurde gegen Ende der zweiten Staffel das satirische Soap-Moment nahezu pervertiert, insbesondere in den Subplots um Benjamin Horne oder Big Ed und Nadine Hurley. Natürlich war das dennoch, gerade weil es die Grenzen auf solch extreme Weise auslotete, großes Serien-Kino und es dürfte in der TV-Geschichte wohl schwerlich eine Serie zu finden sein, die derart mutig über Konventionen hinweg ging. Mit dem abrupten Ende nach dieser Staffel jedoch und der extremen Ballung der Motive in den letzten Folgen (wozu Lynch und Frost durch das bevorstehende Ende gezwungen waren) hinterließ der letzte Teil des Twin Peaks Kosmos immer ein wenig den Geschmack des Unfertigen, nicht zu Ende Erzählten.

Twin Peaks bis zum Tode Leland Palmers ist schlicht und ergreifend ein Serien-Meisterwerk, das mit zum besten gehört, was die TV-Landschaft bis dato geschenkt bekam. Danach ist Twin Peaks vor allem ein Versprechen auf etwas Großes, Ambitioniertes, auf etwas, das über alle seriellen Sehgewohnheiten weit hinausgeht, sowohl Storytelling als auch Dramaturgie, Genre und Komplexität betreffend. Eine dritte Staffel könnte genau dieses Versprechen einlösen, könnte das meisterhafte Fragment zu einem Gesamtkunstwerk werden lassen. Ich drücke jedenfalls die Daumen, dass es so weit kommt. Bis dahin kann ich nur empfehlen noch einmal die alte Serie von vorne bis hinten zu sehen… denn diese wird, wie ich 2012 erneut feststellen konnte, mit jedem weiteren Anschauen besser und besser.

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