Meta-,- Meta-, Messerstecher – Rezension zu Scream 4

Es ist schon eine Crux mit den lange Zeit nach den Originalen nachgeschobenen Fortsetzungen… Und gerade in den letzten Kinojahren ging das selten gut aus: Indiana Jones 4? Katastrophe! Die Prequels der Star Wars Franchise? Nur noch ein Schatten der urspünglichen epischen Weltraumsaga. Und dann natürlich der Fortsetzungs- und Remakewahn im Horrorbereich (ganz zu schweigen von kruden Mashups wie Freddy vs. Jason). Nur selten gibt es Lichtblicke… Und wenn ausgerechnet eine Serie weitergeführt wird, die schon in den 90ern ein Revival darstellte – mit einem guten Film und zwei immer durchschnittlicher werdenden Fortsetzungen –  die zudem von Beginn an gerade mal als Trilogie angelegt war, ist erst Recht Obacht geboten. Insofern waren die Erwartungen an Scream 4 erst einmal niedrig, mehr als eine nette Nostalgieversanstaltung wurde nicht erhofft, und ein Blick auf die Mitkinogänger – Anfang 30, Horrorfilmfreunde, irgendwie noch in den 90ern beheimatet – ließ erahnen, dass es dem restlichen Publikum auch nicht viel anders ging.

Anyway, Scream 4 also. Die Rückkehr alter Bekannter. Schon vom ersten Teil an hat sich ja das Trio Sidney, Gale, Dewey als Hauptcast der Serie etabliert und folgerichtig auch jede weitere Metzelei – mit wechselndem Killer – überstanden, während die jugendliche Staffage um sie herum munter abgeschlachtet wurde. Ganz in diesem Sinne beginnt auch Scream 4 und offenbart dabei gleich eine der großen Stärken der Franchise: Die Weiterzeichnung der Charaktere. Die ist wie in allen Teilen zuvor stringent und plausibel. Der Zuschauer hat kein Problem damit, die bekannten Gesichter erneut lieb zu gewinnen. Sidney ist mittlerweile erfolgreiche Buchautorin, die von den Morden zuvor finanziell ganz schön profitiert hat (und damit per se verdächtig), Gale ist mittlerweile mit Dewey verheiratet und neidisch auf Sidneys Erfolg (und damit per se verdächtig). Dewy ist zum Sheriff aufgestiegen, hat mittlerweile nicht nur an Tollpatschigkeit verloren sondern auch an Autorität gewonnen (und war ja eigentlich noch nie wirklich im Kreis der Verdächtigen). Soweit so gut und tatsächlich wie bei allen anderen Teilen der Serie geschickt inszeniert und montiert… Und dann gibt es natürlich noch Ghostface, den anonymen Killer, serienklassisch von Beginn an mit der who-is-it-Frage verknüpft, immer noch etwas tollpatschig, immer noch hart im Nehmen und immer noch mit einem Faible für überraschendes Auftauchen und Messerstechereien.

Was man neben den bekannten und geliebten Charakteren bei Scream natürlich immer sehen will, sind Metaebenen, selbstreferenzielle Momente, ironische Brechungen und grundsätzlich meta, meta, meta… Insofern ist der Beginn mehr als konsequent, wartet sogar mit einem echten Überraschungseffekt auf und wirkt dabei so selbstironisch metatextuell wie es eben möglich ist. Gleichzeitig leistet dieser aber auch einen Offenbarungseid, der den Zuschauer den Rest des Films über begleitet und das grundsätzliche Dilemma von Scream stets präsent hält: Ab einer gewissen Anhäufung von Metatexten und selbstreferenziellen Momenten kann es nur noch absurd, grotesk und überzeichnet werden, bar jeglicher Spannung außerhalb des postmodernen cineastischen Spiels. Genau das ist mit Stab (der Verfilmung der ‚wahren‘ Scream-Ereignisse innerhalb des fiktionalen Kosmos) passiert; und wenn Scream 4 (bzw. SCRE4M) sich darüber auf köstliche Weise lustig macht, gibt er schon irgendwie vor, dass er einen anderen Weg suchen will, und das tut er dann im Folgenden auch ausgiebig.

Scream 4 ist nämlich keineswegs das erwartete metametareferenzielle Schlachtfest sondern eine fast schon konservative Abspulung der bekannten Topoi der Franchise. Klar, ein wenig wird über aktuelle Torture-Porns gelästert, Filmfreaks tauchen auch wieder auf und debattieren über Fortsetzungen und Genreregeln und natürlich gibt es auch die vermeintlich selbstreferenziellen, selbstironischen Friendly Fire Versuche. Tragend sind diese aber nicht. Die selbstreferenzielle Brechungen bewegen sich sowohl quantitativ als auch qualitativ unterhalb des zweiten und dritten Teils und spulen viel mehr die bekannten Regeln des Urfilms erneut ab. Das gilt vor allem für den fast konsequenten Verzicht auf Brüche der Spielregeln. Wer sich von der Herde trennt wird getötet, wer sagt „Ich komme gleich wieder“ kommt tatsächlich nicht wieder; wenn schaurige Musik ertönt, ist klar: Ghostface wartet bereits: Kein großes Spiel mit den Möglichkeiten der YouTube-Generation (auch wenn dies immer wieder behauptet wird), kein Bruch mit den Regeln des Genres, keine Überstilisierung der Metafeffekte: Stattdessen klassische Jump Scares, klassische Überraschungsmomente, klassische Mordszenarien… Scream 4 ist der wohl konservativste Film der Serie, fast schon peinlich genau am großen ersten Teil orientiert.

‚Peinlich‘ ist dann auch das nächste passende Stichwort. Die versuchten Brüche sind vorhersehbar, weniger komisch als viel mehr peinlich. Das betrifft die letzten Worte der Mordopfer ebenso wie deren vorherige Etablierung: Teeniestaffage halt. Abgesehen von unseren Protagonisten und Sidneys Cousine – die als neu etabliertes Hauptziel des Killers natürlich vorerst ein Überlebensabo besitzt – sind die weiteren Charaktere austauschbar. Verdächtige und potentielle Opfer zugleich. Süße Blondinen, suspekte Freunde, Filmfreaks… das ganze Programm, das man auch aus den Vorgängern kennt. Peinlich ist dies vor allem, wenn die dummen Blondchen aus Stab 5  ordentlich durch den Kakao gezogen werden, eben genau von jenen dummen Blondchen, die kurz danach in Scream 4 gekillt werden. Das ist keine selbstironische Metaebene, sondern ein Offenbarungseid, das Bekenntnis mittlerweile selbst narrativ im B-Movie-Level angekommen zu sein. Das selbe gilt für die latent blutigeren Mordszenarien, die eher platten Dialoge und die fast erschreckend uninteressant inszenierten Morde von Ghostface. Scream 4 hebt sich durch seine selbstreferenziellen Momente nicht von anderen traditionellen B-Movie-Slashern ab, verweist aber sehr wohl unfreiwillig darauf, dass er selbst einer ist.

Das betrifft auch das pseudoüberraschende Ende, das eben im Grunde genommen keine Überraschung bietet. Die Offenbarung Ghostfaces spielt eine der potentiellen Optionen ab, und jeder Horrorfilmfan wir diese zuvor auch mit auf dem Schirm gehabt haben. Die Kombination von Motiv und Nichtmotiv ist sogar ein erneuter, unkreativer Rückgriff auf die Filme zuvor. Und das wars: Nichts von dem im Trailer versprochenen nächsten Level. Die Thematisierung von Youtube und dem Jederzeit/Überall-Broadcasting der Morde wird nicht im geringsten genutzt. Keine Anpassung an die Möglichkeiten der Post90er-Medialität, kein böser Bruch in sich selbst, kein überraschender Fortsetzungs-Mindfuck… Just a Story, just a Episode, just a Remake. Zumindest in den letzten Szenen hätte Scream 4 dann doch noch die Chance, Eier unter Beweis zu stellen. Tut er dann sogar, nur um sich kurz darauf selbst zu kastrieren. Die Chance zum gnadenlosen Mindfuck wird vertan zu Gunsten eines konservativen, braven Abschlusses. Aber das kann einem Slasher, der nach allen Regeln des Genres funktioniert letzten Endes auch nicht wirklich vorgeworfen werden. Schade ist es trotzdem.

Scream 4 ist kein schlechter Film. Das nostalgische Moment funktioniert, ebenso der überstilisierte Beginn, ebenso die nach wie vor interessanten Charaktere aus Teil 1 – 3. Der Rest ist laue Horrordurchschnittskost, die nicht einmal konsequent ihre Chance zum Genre-Bruch ausnutzt. Ohnehin geht Scream 4 derart konservativ vor, dass er größtenteils mehr als Remake denn Fortsetzung erscheint. Vielleicht auch irgendwie so etwas wie eine posthume Verbeugung vor der Serie, dabei aber weder böse, noch respektvoll, sondern irgendwie peinlich nach vorne taumelnd wie ein Betrunkener, der einem Königspaar seine Eherbietung zeigen will (und scheitert). Schade drum! Vielleicht hätte es Wes Craven besser zu Gesicht gestanden den Weg der Stab-Franchise zu wählen und auf Over the Top Überraschungen zu setzen. So wäre zumindest vergnüglicher, großer Trash dabei heraus gekommen. In dieser biederen und braven Formen ist Scream 4 leider einfach nur egal und überflüssig.

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