Breaking Bad S05e09: Blood Money – Gedanken, Spoiler, Crystal…

Hell yes! Ich unterbreche meinen – viel zu spät begonnenen Recap – der ersten vier Breaking Bad Staffeln, um an dieser Stelle einfach mal ein paar Gedanken zu den aktuellen Folgen loszuwerden. Ab sofort also jeden Montag, sofern es meine Zeit zulässt und sofern mein Meth-Dealer aus Neuland zuverlässig ist, ein paar vollkommen verspoilerte Gedanken zu der jeweils aktuellen Folge. Im besten Fall immer pünktlich, im besten Fall bis zum Ende der Serie. Falls ihr die Episode Neun der fünften Staffel Blood Money also noch nicht gesehen habt und euch nicht den Spaß verderben wollt, lest an dieser Stelle nicht weiter… Und noch ne kleine Warnung: Die Gedanken kommen jetzt frisch vom ersten Seh-Eindruck, könnten also etwas unsortiert und chaotisch sein. So be it…

Die zweite Hälfte der Staffel startet apokalyptisch… im wahrsten Sinne des Wortes. Auch ohne einen dramatisch inszenierten Plot-Twist, dass es sich bei der Halfpipe, auf der sich jugendliche Skater vergnügen, um den trockengelegten Pool des verwaisten White-Anwesens handelt, haut dieser Beginn voll rein: Ein heruntergekommenes, abgesperrtes Haus, zahllose Graffitis und beinahe offensiv der an die Wand gepinselte Anklage-Schrei „HEISENBERG!“ heißen Walter White in den Trümmern seiner Existenz willkommen. Das Haus der Whites ist zu einem Schaukasten der bürgerlichen Apokalypse geworden, der Walt direkt mit den Ergebnissen seiner früheren Taten konfrontiert. Was geschehen ist? Noch weiß man es nicht so genau: Aber der depressive Blick Walts auf das, was er verloren hat, der zielstrebige Griff zur versteckten Gift-Kanüle und der Schock seiner Nachbarin, als sie den Heimkehrer erblickt, sprechen eine deutliche Sprache. Etwas schreckliches muss passiert sein, etwas, dass Walts bürgerliche Existenz, die er bis dato wie ein Schutzschild vor sich her trug, vollkommen aus den Angeln gehoben hat. Ein besserer Beginn in die letzten Folgen als diesen düsteren Flash Forward könnte ich mir jedenfalls nicht vorstellen.

Aber back to the presence und zurück zum wahrscheinlich längsten Stuhlgang der Seriengeschichte. Zwölf Monate nachdem wir alle innerlich zerrissen waren zwischen Jubel über die höchstwahrscheinliche Aufdeckung von Heisenbergs Identität durch Hank und einer gewissen Ernüchterung, dass diese durch so ein dummes, kleines Detail geschehen ist (sowie die Erkenntnis, dass Badass Heisenberg eben doch nicht unverwundbar ist), verlässt Hank sichtlich angekratzt die Toilette. Seinen Schwager (Oh, wait, Schwippschwager?) traut er sich kaum anzublicken, und er kann gar nicht schnell genug dessen Gesellschaft verlassen. Was folgt ist ein wirklich großartig inszenierter Nervenzusammenbruch Hanks, mit dem einfach mal absolut treffsicher dessen Schock über die dunklen Abgründe Walts offenbart wird. Aber Hank war schon seit jeher ein Stehaufmännchen, und auch wenn man tatsächlich für ein paar Minuten glaubt, jetzt wäre der sympathische, raubeinige Cop endgültig gebrochen, belehrt er uns eines Besseren: Hank stürzt sich geradezu manisch in die Arbeit, rollt den Fall noch einmal auf, lässt sich Kisten über Kisten nach Hause liefern, und wie wir später erfahren werden, deckt er tatsächlich erstaunlich zielsicher Walts Verwicklungen in die Kocherei, den Handel und die geschehenen Morde auf.

Walt derweil scheint es erst einmal ernst zu meinen mit seinem Ausstieg. Die verzweifelte, nach wie vor schrecklich nervöse Lydia wird eiskalt abgewimmelt. Deren Verzweiflung lässt allerdings nichts gutes ahnen. Allein der Blick, mit dem sie Skyler während des Rauswurfs aus der Waschstraße begegnet, könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie sich mit dem kategorischen „Nein“ ihres früheren Koches nicht zufrieden geben wird. Vielleicht sieht sie in Skyler gar ein Druckmittel, über das sie früher oder später doch wieder an Walt rankommen könnte. Noch signifikanter zeigt sich Walts Abschluss mit der Karriere als Drogenbaron allerdings im – neben dem Schlusstableau mit Hank – zweiten essentiellen Dialog der Folge: Im Gespräch mit Jesse ist Heisenberg nahezu besessen von dem Gedanken mit seiner dunklen Vergangenheit abschließen zu können. Sein verzweifeltes Beschwören Jesses, er solle ihm glauben, dass er Mike nicht getötet hätte, ist mehr als ein bloßer pathetischer Meineid. White will an dieser Stelle Mike nicht getötet haben, er arbeitet geradezu daran seine Beteuerungen, seine Sprache, seine Wünsche in Realität zu transferieren. Er will nicht nur Jesse, sondern auch sich selbst von seiner Unschuld überzeugen. Was in dieser Szene stattfindet, ist nicht weniger als der Kampf eines Mannes gegen sich selbst, gegen seine eigene Wahrheit, für den eigenen Seelenfrieden. Wer sich an Walts Reaktion auf den Flugzeugabsturz – und die daran anschließende Selbstverteidigung für sich selbst – erinnert, weiß, dass der Spießbürger darin verdammt gut ist.

Genau, Spießbürger: Denn das ist Walt nach wie vor durch und durch. Auch wenn man seinen forcierten Aufstieg zum mystifizierten Cook Heisenberg abwechselnd auf krankhaften Ehrgeiz oder das Bedürfnis, im Leben doch noch was zu erreichen, in irgendwas der Größte, Beste, Respektierteste zu sein, schieben mag, so offenbart sich darin doch in erster Linie eine ganz klassisch puritanische Arbeits-Ethik: Der Mann als der hart Arbeitende, der es im Leben zu was bringt, diesen Erfolg nach außen repräsentiert und dadurch noch weiter kommt. Die sich entwickelnden Ambitionen, zu einer Art Waschstraßen-König zu werden, lassen mehr als deutlich darauf schließen. Ebenso das Gespräch mit Jesse, indem er geradezu übereifrig eine Vorwärts-Mentalität predigt und sich dadurch – wieder einmal – zum Erzieher des mittlerweile ziemlich zugedröhnten Jesse erhebt. Reflexion? Unerwünscht. Die Vergangenheit? Abgeschlossen. Nur weg mit den Schuldgefühlen oder der Beschäftigung mit sich selbst und den begangenen Missetaten. Was zählt ist die Zukunft; einzig und allein die Zukunft. Dass Jesse da nicht mitmacht und wieder einmal das – titelgebende – Blood money thematisiert, lässt diesen gerade im Ungesagten, in den kargen einsilbigen Antworten Walt gegenüber als moralisch überlegen erscheinen. So unten durch auch Jesse ist, so wenig hat er sein Gewissen eingebüßt: Überraschend hellsichtig ahnt er Walts Mord an Mike, weniger überraschend altruistisch, will er das Blutgeld so schnell wie möglich loswerden. Nachdem Saul – ob seiner Feigheit – und Walt – ob seinem Kontrollzwang – nicht in der Lage sind, ihm zu helfen, dies kontrolliert zu bewerkstelligen, tut er das nächst naheliegende und schleudert das Geld im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Fenster raus.

Jesse darf nicht nur in diesem Moment für die warmen Lichtblicke der ansonsten beängstigend unterkühlten Episode sorgen: Wenn er einem Obdachlosen das erste Bündel Geld zusteckt, wirkt zwar auch diese Handlung vor allem eins, nämlich verzweifelt, gleichzeitig offenbart sie aber auch das Herz aus Gold, das in der Brust dieses Junkies schlägt. Folgerichtig darf dann in dem kurzen – vielleicht etwas zu kurzen – Jesse-Intervall sogar wieder gelacht werden. Der grandiose Skript-Entwurf Badgers für ein Blaubeerkuchen-Wettessen der Enterprise-Crew und einen fatale Beamer-Zweckentfremdung ist herrlich albern, geeky, bescheuert und erinnert daran, dass Breaking Bad irgendwann auch mal durchaus Komödie war. Lange scheint es auf jeden Fall her, dass man das letzte Mal in einer längeren Szene der Serie so losgelöst lachen durfte… ganz ohne düsteres, dreckiges oder hässliches Outcoming am Ende.

Trotzdem ist Jesse in dieser Episode – ebenso wie ein erstaunlich blasser Saul, mit nichtssagendem Auftritt – zur Nebennebenneben-Figur degradiert. Im Zentrum steht der Konflikt zwischen Walt und Hank, der zuerst nur durch die Parallel-Montagen der White- und Schrader-Storyline im Hintergrund schwelt, um schließlich in der fantastischen letzten Szene zu einem brutalen Ausbruch zu kommen. Hier hat mich die aktuelle Staffel jetzt schon kalt erwischt. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass die Autoren es derart schnell auf eine Konfrontation ankommen lassen: Hank weiß. Walt weiß, dass Hank weiß. Hank weiß, dass Walt weiß, dass er weiß… und diese radikale Epiphanie auf gleich mehreren Ebenen entlädt sich in einem krassen, eruptiven Zusammenstoß der beiden in der letzten Szene. Hank verliert für einen kurzen Augenblick jegliche Kontrolle, sämtlichen Frust, sämtliche Ängste, sämtlichen Hass scheint er in diesem Moment zu externalisieren, einzig und allein – irgendwie auch nachvollziehbar – auf Walt zu fokussieren. Die körperliche Gewalt ist das Ergebnis, kurz, aber auch ziemlich schmerzlos… In diesem Moment erleben wir keinen triumphierenden, keinen smarten, keinen erfolgreichen Hank. Mit der Aufdeckung des Unfassbaren hat sich all das entladen, was zuvor angestaut war, und zugleich sieht sich Hank mit einer fundamentalen Ohnmacht konfrontiert: Er hat seinen Heisenberg bei den Eiern, und doch scheint es irgendwas zu geben, was ihn zurückhält. Allein schon das Schließen der Garage vor dem Shootout ohne Waffen wirkt, als würde Hank schon im Ansatz zweifeln, ob er seine Erkenntnis tatsächlich öffentlich machen will. Walt erleben wir in dieser Konfrontation ambivalent wie selten zuvor: Seine Worte, eigentlich unglaublich larmoyant: Der Krebs ist zurück, er wird sterben, blablabla… Sein Verhalten dabei hat allerdings nichts mit vorherigen Larmoyanz-Attacken (Das Flehen um sein Leben Mike und Gus gegenüber, das verzweifelte Belügen von Skyler etc…) gemein. So weinerlich seine Worte auch sein könnten, so abgeklärt wirkt er in der Präsentation derselben. Dies führt schließlich sogar zu der mehr oder weniger direkten Drohung, die er Hank gegenüber ausspricht, und die beinahe den Schlusspunkt der Folge markieren…

Beinahe. Denn am Ende ist es vor allem das Schweigen, das im Gedächtnis bleibt. Das Schweigen von Hank und Walt nach der Konfrontation ist nichts anderes als die Spiegelung des Schweigens von Walt und Jesse. Nicht zu vergessen das Schweigen von Lydia, nachdem sie von Skyler zurechtgewiesen wurde… und eben auch das Schweigen von Walt selbst, als er einsam und allein zu Beginn der Folge sein gezeichnetes Spiegelbild in den apokalyptischen Trümmern seiner bürgerlichen Existenz betrachtet. Genug Folgen sind es noch bis zum Ende der Serie, um zu ahnen, dass dies nur das Schweigen vor dem Ausbruch, die Ruhe vor dem Sturm sein kann. Blood money ist ein grandioser Einstieg in die letzten acht Folgen Breaking Bad: Eiskalt, düster und vor allem – nach der etwas überhetzten ersten Hälfte der Staffel – angenehm slow, ruhig, mit dem richtigen Timing für nahezu entsetzliche Stille. Ich denke, da wird noch einiges an übler fucked up tragedy auf uns zukommen. Die ersten Szenen sind gesetzt, der fünfte Akt hat seinen Mittelpunkt überschritten, die Tragödie kann zu ihrer Katastrophe kommen, der Protagonist zu seinem Schicksal. Und wir, die Zuschauer, hoffentlich zu unserer Katharsis.

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