Sechs weitere Bücher die unbedingt noch verfilmt werden sollten…

Vieles Literarisches gibt es noch, was auf die große Leinwand gehört. Nach dem ersten vorsichtigen Ausblick nun also weitere sechs Bücher, die verfilmt werden sollten, könnten, müssten und höchstwahrscheinlich demnächt irgendwann ihren Weg in die Filmpaläste dieser Welt finden werden. Dieses mal gibt es teuflische Elixiere von David Lynch,  einen deutschen Kinderbuchklassiker als Anime, Michael Bays Version des ersten Weltkrieges, Euklid im Disneyland, Platon und Jarmusch beim Kaffetrinken sowie ein größenwahnsinniges Eichingerprojekt.

Die Elixiere des Teufels (E.T.A. Hoffmann)

Die Vorlage:

Hoffmanns 1815 erschienener Klassiker der deutschen Düsterromantik erzählt die Geschichte eines einfachen Mönches, dessen Persönlichkeit durch religiösen Wahn, den Trank der Elixiere des Teufels und die Liebe zu einer jungen Frau auf die Probe gestellt wird. Ruhelos begibt sich der Protagonist auf eine lange Wanderschaft, auf der er  mit unheimlichen Vorkommnissen, einem unglücklichen Tod und einem mysteriösen Doppelgänger konfrontiert wird. Die Grenzen zwischen Realität, Wahn und Alptraum verschwimmen immer weiter und das Zerbrehchen der Persönlichkeit entwickelt sich zu einem gewaltigen, dunklen Horrortrip in die Abgründe der menschlichen Seele.

Die Verfilmung:

Für das Spiel mit Doppelgängern, unheimlichen Verschwörungen und seltsamen Mysterien kommt natürlich niemand anders als David Lynch in Frage. Dieser kitzelt das tiefenpsychologische Moment aus Hoffmans Geschichte heraus und verbindet es mit assoziativen, surrealen Alptraumsequenzen. Die Hauptrolle des jungen Mönches übernimmt der mittlweile über 20jährige Haley Joel Osmond („The sixth sense“) und spielt in einer Doppelrolle auch gleich seinen Widersacher. Wie alle Lynch-Filme ist die Hoffmann-Adaption in den USA ein Riesenflop, entwickelt sich aber in Europa schnell zum Kultfilm.

In Stahlgewittern (Ernst Jünger)

Die Vorlage:

Das literarische Debüt Ernst Jüngers gehört zu den kontroversesten Werken der deutschen Literaturgeschichte. Der Anhänger der konservativen Revolution Jünger erzählt in ihm von seinen Erlebnissen an der Front des ersten Weltkrieges. Dabei tritt er Phänomenen wie Kampf, Militarismus und selbst dem Morden mitunter wohlwollend und affirmativ gegenüber. Für ihn ist der Krieg eine Erweiterung des Bewusstseins, ein Erlebnis, das jeden Menschen – nicht unbedingt in negativer Hinsicht – prägt und verändert.

Die Verfilmung:

Krach, Boom, Peng. Krieg als metaphysisches Erlebnis, das den Horizont erweitert. Dafür kommt natürlich niemand anderes als Michael Bay in Frage. Gemeinsam mit Produzent Bruckheimer inszeniert er die Stahlgewitter als actionreiches Krawallspektakel mit massig Gewehrfeuer und Explosionen. Shia Le Bouf spielt den jungen Ernst Jünger, gedreht wird in Denver und Colorado. Das Endprodukt wird von der versammelten Filmpresse gnadenlos verrissen: Kritik ernten unter anderem die ständig geschwungenen US-Fahnen, die Entscheidung die französische Armee als Killerroboter mittels CGI darzustellen sowie die zahllosen Anachronismen wie animierte Megatechs (anstatt der damals üblichen deutschen Panzer), Laserpistolen und die Integration von Hyperraumgleitern. Für den Soundtrack zeichnen sich Aerosmith, AC/DC und Motörhead verantwortlich. Die Ernst Jünger und Kaiser Wilhelm Actionfiguren werden zum Verkaufsschlager bei Mc Donalds.

Die Elemente (Euklid)

Die Vorlage:

Euklids Elemente gehören zu den wegweisendsten Werken der Mathematikgeschichte. In 15 Büchern beschäftigt sich der Gelehrte und Wissenschaftler mit der Flächengeometrie, der Raumgeometrie und der Arithmetik. Auf vielen seiner Überlegungen und Axiomen fußt auch heute noch die gesamte mathematische Welt.

Die Verfilmung:

Nachdem die Walt Disney Company sich den Stoff 2013 gekrallt hat, arbeitet sie gemeinsam mit Pixar verbissen daran, die Abhandlungen der Geometrie und Arithmetik einem großen Publikum schmackhaft zu machen. Der aus diesen Überlegungen entstehende Film ist ein buntes, animiertes Musical irgendwo zwischen „Wall-E“ und „Fantasia“. Für die Synchronisation der Figuren werden namhafte Prominente verpflichtet: So synchronisiert Mike Myers das Dreieck (in der deutschen Version: Otto Waalkes), während Jessica Simpson dem Kreis ihre Stimme leiht (deutsch: Judith Holofernes). Die Primzahlen werden von den Jonas Brothers gesprochen (Im Deutschen übernehmen Tokio Hotel diese Aufgabe). Der Film wird zu einem großen Erfolg und animiert zahllose andere Animationsstudios dazu sich ähnlichen Stoffen zu widmen. So erscheinen in der Folgezeit Goethes Farbenlehre (Dreamworks), Epikurs „De rerum natura“ (Fox Animation Studios) und Platons Timaios (Pixar), der allerdings floppt, da das Publikum die zahllosen wissenschaftlichen Adaptionen mittlerweile  leid ist.

Das kleine Ich bin ich (Mira Lobe)

Die Vorlage:

Der Kinderbuchklassiker – erzählt von Mira Lobe, gezeichnet von Susi Weigel – gehört zu den schönsten Erzählungen zu dem universellen Thema Individualität: Ein kleines knuddeliges Tier möchte wissen, wer es wirklich ist und begibt sich auf die Suche nach der eigenen Identität. Unterwegs trifft es allerhand Tiere, ihm deutlich machen, dass es nicht zu ihnen gehört. Erst am Schluss steht die erlösende Erkenntnis Ich bin Ich. Ein wunderbarer Lobgesang auf die Individualität und eines der besten Kinderbücher aller Zeiten.

Die Verfilmung:

Da die Japaner durchaus einen gewissen Fetisch für alles Deutsche an den Tag legen, ist es nur folgerichtig, dass sich das Studio Ghibli die Verfilmungsrechte des Klassikers krallt. Deren Hausregisseur Hayao Miyazaki macht aus der Vorlage einen zuckersüßen Anime der alten Schule im Stil eines „Chihiros Reise ins Zauberland“. Das Ergebnis ist eine wahnwitzige Erweiterung des kurzen Textes, ein bunter, durchgeknallter Trip, auf dem das kleine Ich bin Ich zahllosen phantastischen und skurrilen Gestalten begegnet und schließlich die gemeine Du bist anders Hexe besiegt, bevor es zu seiner eigenen Identität findet.

Dialoge (Platon)

Die Vorlage:

Die von Platon aufgezeichneten (oder erfundenen) Dialoge zwischen Sokrates und anderen Philosophen gehören zu den großen Klassikern der abendländischen Kulturgeschichte. Die Gespräche behandeln Themen wie Ethik, Metaphysik, Ästhetik und alles, was der menschliche Geist erfassen will, nicht erfassen kann und woran er sich dennoch immer wieder erprobt.

Die Verfilmung:

Kein Anderer als Jim Jarmusch kümmert sich um die Verfilmung des theoretischen, gesprächlastigen Stoffes. Im Stile seines Kultfilms coffee and cigarettes inszeniert er die philosophischen Gespräche als coolen Small Talk zwischen weisen Denkern und Gelehrten. Tom Waits schlüpft in die Rolle des Sokrates, die Gesprächspartner werden unter anderem verkörpert von Isaach De Bankolé, Bill Murray, Iggy Pop und Jessica Lange. Gedreht wird in einem kleinen Café in Griechenland. Auf historische Genauigkeit wird jedoch weniger wert gelegt, so dass die Protagonisten während ihrer Dialoge fleißig rauchen, Kaffee oder Bier trinken und Musik von David Bowie hören. Der Film gewinnt den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch und generiert wetweit Einnahmen von ungefähr 5000 Dollar, wodurch die Produktionskosten um ein vielfaches wieder eingespielt werden.

Berlins erstes Telefonbuch (1881)

Die Vorlage…

…ist mit ein paar Worten abgehandelt: Namen, Telefonnummern, Adressen, historisch.

Die Verfilmung:

Ich weiß, dass es wie ein schlechter Scherz wirkt, ein historisches Telefonbuch zu verfilmen und ich freue mich ehrlich gesagt schon auf die Witze, die die Presse deswegen machen wird. Aber das Drehbuch, dass mir Bernd [Eichinger] vorgelegt hat, ist es wert auf die große Leinwand gebracht zu werden. Allen Lästerern sage ich nur: Wartet das Endergebnis ab!

(Regisseur Uli Edel)

Nach einem Produktionszeitraum von fünf Jahren wird das verfilmte Telefonbuch im Jahr 2020 endlich veröffentlicht. Edel und Eichinger inszenieren Berlins erstes Telefonbuch als pedantisches, historisch korrektes Ensembledrama. Zu jedem Namen, zu jeder Nummer und zu jeder aufgeführten Firma gibt es eine Episode (von 5 – 45 Minuten), in der das Schicksal der jeweiligen Person thematisiert wird. Natürlich werden diese verschiedenen Episoden auf vielfältige Weise miteinander verknüpft, so dass ein gigantisches Panorama des Berlins der damaligen Zeit entsteht. Zu sehen sind unter anderem Daniel Brühl als A. Aaronson und Bruno Ganz als Z. Zulawski. Das Epos wird schließlich so lange, dass es für das Kino nicht mehr in Frage kommt. Stattdessen wird daraus ein Fernsehmehrteiler für mehrere öffentlich rechtliche Pay-TV-Kanäle. Im Jahr 2022 läuft die letzte Episode. Bernd Eichinger dreht in dieser Zeit bereits zusammen mit Oliver Hirschbiegel am Nachfolger: Die gelben Seiten aus dem Jahr 2000.

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