Monat: Januar 2022

Die besten Filme 2021: Pig – Nicolas Cage dekonstruiert sein eigenes Genre

Nicolas Cage…. achja, der gute Nicolas Cage! Es gab angeblich (zumindest wenn ich einem meiner cineastischen Weggefährten Glauben schenke) mal eine Zeit, in der ich ihn als besten lebenden Schauspieler bezeichnet habe. Und es gab definitiv eine Zeit in der zu einer Karikatur seiner selbst verkommen ist, den man irgendwie noch Schauspieler nennen mag, allerdings mit der Ergänzung „Was zur Hölle ist das für eine Herangehensweise an diesen Beruf?“. Wie man es auch dreht und wendet, der Schauspieler Nicolas Cage ist ein Phänomen. Eine Naturgewalt, in seinen besten Momenten – unter der richtigen Regie – zu bizarren Extravaganzen in der Lage, larger than Life, Overacting als Grundprinzip, in seinen schlechtesten Momenten – unter der falschen Regie, im falschen Setting, eine groteske Lachnummer, ein Mime, der versucht einen Mimen zu spielen, der groß spielt. Wenn wir Nicola Cages Schauspielkarriere betrachten, können wir wahrscheinlich drei Phasen ausmachen. Und in jeder dieser Phasen finden wir Spuren des großen, übergroßen oder schlicht und ergreifend zu großen Nicolas Cage: Sei es in der oscarreifen Darbietung eines alkoholabhängigen Selbstmörders in Leaving Las Vegas, als Over the Top Actor, der die Mimikry eines anderen Over the Op Actors abliefert in Face/Off, oder sei es als bizarre Verkörperung männlicher Angstprojektion im Horror-Fiasko The Wicked Man. Cage ist immer und zu jedem Zeitpunkt Cage… und dazu gehört eine konstante Zerrissenheit. Aber um dann doch noch mal zu den drei Phasen zurückzukommen: Wir haben die erste Phase in den späten 80ern bis zu den mittleren 90er Jahren, in der er tatsächlich wie ein Revolutionär dramatischer Schauspielkunst wirkte, die zweite Phase, in der er zunehmend in schwachen B-Movies fürs Videothekenregal abgefuckte Action-Antihelden verkörperte (Späte 90er bis frühe 2010er), und jetzt haben wir wohl die mir liebste Phase, in der er frei nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert…“ agiert. Hier spielt er mal in billigem Action Trash, mal in faszinierenden Nischenfilmen aus der Midnight Cinema Ecke wie Mandy (2018). Es ist banal, Schauspielern scheint ihm einfach verflucht viel Spaß zu machen, unabhängig von der Qualität der Filme in denen er auftritt. Und so scheint der (immerhin fast 60jährige) Mann derzeit in der Höhe seiner Schöpfungskraft, mit bis zu sieben Filmen im Jahr. Und damit kämen wir dann auch zu Pig (2021), der nicht nur zu den guten Filmen der jüngsten Cage-Schaffensphase gehört, sondern schlicht und ergreifend einer der besten Filme des vergangenen Jahres ist und dazu noch eine leise (!) Dekonstruktion vieler Topoi, die trashigere Nicolas Cage Filme in der Regel so mit sich mitschleppen.

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Sehenswertes aus dem Jahr 2021: Die Ausgrabung von Simon Stone

Die Ausgrabungen von Sutton Hoo aus dem Jahr 1939 gehören zu den großen archäologischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Der Fund eines angelsächsischen Schiffgrabs mit zahllosen kulturellen Schätzen hatte einen enormen Einfluss auf unser Verständnis des Frühmittelalters. Dass mit Basil Brown ein engagierter Amateur-Ausgräber für den Fund verantwortlich war, war zudem ein starkes Exempel dafür, dass Leidenschaft und Hingabe beim Forschungsdrang eine traditionelle Hochschulkarriere aufwiegen können. Außerdem zog der Fund eine traurige Geschichte der Nichtbeachtung seines Hebers durch die museale Öffentlichkeit nach sich. Erst viele Jahrzehnte nachdem die Fundstücke dem British Museum gespendet wurden, wurde Brown als Finder anerkannt und entsprechend in der Ausstellung dieser Stücke namentlich genannt und gewürdigt. John Preston verarbeitete in seinem Roman The Dig (2007) diese Geschichte, natürlich mit diversen dramaturgischen Ausschmückungen, einer besonderen Fokussierung, die damit zusammenhing, dass eine der Ausgräberinnen Prestons Tante war, und nicht zuletzt einem gewissen Pathos, der dem Gewicht dieses archäologischen Ereignisses gerecht werden sollte. 2019 schon hat sich die BBC der Verfilmung des Stoffes angenommen. Diese ist im Laufe der vergangenen Jahre (wie so viele Filmprojekte) zu Netflix gewandert, und das Ergebnis ist Die Ausgrabung (2021), ein Drama, das wie seine Vorlage darum bemüht ist, Realität und poetische Verarbeitung in die Balance zu kriegen.

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