Schlagwort: Feminismus

The Last Duel – Ridley Scotts feministischer Vorstoß ins Mittelalter

Es gibt ja Leute, die behaupten, dass Ridley Scott seine beste Zeit als Regisseur hinter sich hat und mittlerweile nicht mehr Garant für gelungene Filme ist. Ich würde dem mal ganz dreist entgegenhalten, dass das Zeitfenster, in dem Scott ausnahmslos herausragende Filme produziert hat, extrem klein ist; fünf Jahre, um genau zu sein. Zwischen den späten 70er und frühen 80er Jahren hat Ridley Scott extrem gute, Genre prägende Filme produziert, namentlich die Sciende Fiction Werke Alien, Blade Runner und den Orwell Apple-Werbespot sowie das Historiendrama Die Duellisten. Und seit dieser Phase ist er – also praktisch seit jeher – ein Hit and miss Regisseur. Für jeden großartigen Film findet man den entsprechenden durchschnittlichen Gegenentwurf, ganz gleich ob in den 80ern, 90ern oder im 21. Jahrhundert. Ja, Prometheus (2012) war wirklich nicht gut, aber waren Die Akte Jane (1997) und Legende (1985) so viel besser? Ja, mit Alien: Covenant (2017) hat Scott der Alien-Reihe einen kleinen Todesstoß versetzt, aber ist ihm der Todesstoß für eine potentiell starke Filmreihe nicht schon 15 Jahre zuvor mit Hannibal (2001) „geglückt“? Bei aller Liebe zum Lebenswerk dieses Regieveteranen: Ob ein neuer Ridley Scott Film ein guter Film wird, muss immer mit einem Fragezeichen versehen werden, egal in welchem Genre er sich gerade herumtreibt. Mit The Last Duel (2021) hat er sich heuer für den Historienfilm entschieden, ein Genre in dem er auch schon mal mehr, mal weniger qualitativ erfolgreich unterwegs war. Und dann auch noch nach einer wahren Begebenheit und mit einer feministischen Thematik. Das Fragezeichen bleibt also erst einmal stehen…

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Bombshell (2019) – Toxische Maskulinität in der Nachrichtenzentrale

Können wir bitte einen kurzen Moment innehalten um Fox News zu kondolieren? Die haben es nämlich wirklich nicht leicht zur Zeit. Nachdem Trump nun endgültig, endgültig seine Wiederwahl verloren hat und die eigentlich auf der Seite des ehemaligen Hauf- und Hofsenders Trumps stehenden Demonstranten „Fox News sucks!“ gebrüllt haben, blickt das konservative Medienflaggschiff schweren Zeiten entgegen. Die rechtsextremen QAnon- und Trump-Sektierer werden der Konkurrenz am rechten Rand Newsmax und oann in die Arme getrieben, konservative Urgesteine wenden sich mit Ekel von dem Konservatismus unter Donalds Herrschaft ab, und Fox News steht irgendwo zwischen den Stühlen. Mit Schreihälsen wie Laura Ingraham, Sean Hannity und Tucker Carlson haben sie nach wie vor noch die Nestbeschmutzer an Bord, gleichzeitig müssen sie erleben, wie sich mehr und mehr Republikaner von ihrem Konzept der letzten Jahre – der bedingungslosen Trump-Folge – distanzieren. Ja, Fox hat auch noch seinen Chris Wallace, sein Nachrichtensegment, einen Rest von rationaler Würde, aber es wird hart werden, wenn sie vor der Entscheidung stehen, wie weit sie sich mit dem Ex-Präsidenten – bzw. seinen Anhängern – weiter nach rechts, beziehungsweise wie weit sie sich wieder zurück in die rechte Mitte bewegen wollen. Andererseits ist das Baby des konservativen Medienmoguls Rupert Murdoch durchaus Krisen gewöhnt. Es ist noch gar nicht so lange her, da ging das News- und Meinungsnetzwerk durch verflucht schwere Zeiten. 2016, im Jahr der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten wurde das konservative Imperium von einem harten Skandal um sexuelle Belästigung, Misogynie und Machtmissbrauch durchgeschüttelt, der die Nachrichtenverbreiter selbst zur Nachricht werden ließen. Genau von jenem Skandal handelt Jay Roachs Hybrid aus Drama und Politthriller Bombshell (2019), der in gewagtem Tempo über die Abgründe der amerikanischen Medienlandschaft rauscht.

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Die besten Filme 2019: Porträt einer jungen Frau in Flammen von Céline Sciamma

Können wir nochmal festhalten, dass das Filmjahr 2019 unfassbar stark war? Gut, 2020 war cineastisch gesehen – aus Gründen – ein komplettes Fiasko, aber das Vorjahr hat derart überzeugend abgeliefert, dass die derzeitige Kino-Nullrunde zumindest dem Publikum fast nichts ausmachen sollte. Ich habe es jedenfalls immer noch nicht ganz geschafft, all die großartigen Filme zu schauen, die letztes Jahr die Lichtspielhäuser zum ersten Mal beglückt haben. Einer dieser Filme ist Céline Sciammas Porträt einer jungen Frau in Flammen (2019), von der Kritik hochgelobt und auch den Kinokassen mindestens mit einem Achtungserfolg – zumindest für dieses Genre – gesegnet: Portrait de la jeune fille en feu, so der wunderschöne Originaltitel, ist ein Historical Period Drama wie es im Buche steht. Weit entfernt von Pomp und Glamour eines Kostümfilms, aber auch weit entfernt vom globalen Blick eines Historienepos‘ erzählt der Film vor der Kulisse des ausgehenden 18. Jahrhunderts eine Geschichte um Liebe und Begehren und einen sehr spezifischen Blick, der den Mythos des Orpheus aus den Angeln hebt.

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Die besten Filme 2017: The Wild Boys von Bertrand Mandico

Also gut, reden wir über den Experimentalfilm. Ein Genre das, zumindest wenn es nach der deutschen Wikipedia geht, gar nicht existiert (dort wird der englische Artikel zum Experimentalfilm immer noch ziemlich schnodderig mit Avantgardefilm übersetzt). Experimentelle Filme gehen über das hinaus, was übliche Sehgewohnheiten betrifft, sie transzendieren das Medium, zerreißen es, und stellen so eine Herausforderung für ihr Publikum dar. Wen oder was man zum Experimentalfilm zählen könnte, darüber lässt sich vermutlich lang und breit diskutieren. Genügt es schon, eine surreale Handlung aufzubauen, wie dies zum Beispiel David Lynch tut? Oder ist dieser mit seinen düsteren Mysterythrillern doch zu konventionell, um hier einen Spot zu verdienen? Muss es gleich die komplette Zertrümmerung des Mediums sein, wie zum Beispiel in den Kurzfilmen des 80er Jahre Transgressive Movies, oder gibt es doch irgendwas dazwischen? Ist Tarkowski ein Experimentalfilmregisseur, ist Bergman einer? Was ist mit den Nouvelle Vague Autorenfilmern oder den Ikonen des Neuen Deutschen Films? Ist gleich alles experimentell, was neu und ungewohnt ist? Dann könnten ja sogar Filme wie Blairwitch Project in der Kategorie landen. Nee, irgendwie kann es das nicht sein, und vielleicht ist eine Stärke der Schublade Experimentalfilm, dass sie ebenso wie die ihr zugehörigen Filme vage und abstrakt bleibt, dass sich vieles und gar nichts in sie hineindeuten lässt. Fest steht jedenfalls, dass experimentelle Filme nur selten ein größeres Publikum erreichen, sind sie doch einfach zu anstrengend, zu konfus, zu unorthodox, um über die Nische hinaus Eindruck zu hinterlassen. Dieses Schicksal blüht wohl auch Bertrand Mandicos Langfilmdebüt The Wild Boys (2017), der so ziemlich alle Zutaten für einen abgehobenen Film zwischen Experiment und Avantgarde besitzt. Ihn in dieser Nische zu lassen, täte diesem mitreißenden Meisterwerk allerdings Unrecht…

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