201 – Happy Birthday South Park

Eigentlich wäre es schon vor sieben Tagen an der Zeit gewesen. Aber da die zweihundertste Ausgabe der anarchischen Trickserie „South Park“ ein Zweiteiler ist, können auch diese Woche noch Glückwünsche verteilt werden. Eine Doppelfolge also zum Jubiläum, und was für eine… Die Macher Trey Parker und Matt Stone gehen für die 200. und 201. Folge nicht den Weg, den Serien meist traditionell beschreiten – nämlich eine Best-Of-Clipshow zu veröffentlichen – sondern langen gleich in die Vollen. Bei all jenen, die jemals in der Kleinstadt auf die Schippe genommen wurden, bei all jenen, die sich darüber mokierten und nicht zuletzt auch bei jenen, die sich darüber mokierten, dass sich so viele über das Auf die Schippe Nehmen mokierten. Meta-Meta-Meta-South-Park… oder so ähnlich. Jedenfalls ein mehr als würdiges Jubiläum.

Vierzehn Staffeln hat die Serie mittlerweile auf dem Buckel, und ein Ende ist (Gott sei Dank) noch nicht abzusehen. Was 1997 als primitives Cartoonformat mit derber Fäkalsprache begann, hat sich im Laufe der Zeit zu einer der wichtigsten und besten Satiren Amerikas entwickelt. Stand in den Anfangsjahren noch die Provokation durch tonnenweise F…Wörter im Vordergrund, ist South Park schon lange Zeit seinen Kinderschuhen entwachsen. Harmlos ist die Serie dadurch aber nicht geworden. Ganz im Gegenteil: In bester satirischer Tradition wird alles durch den Kakao, was es verdient oder nicht verdient veralbert zu werden. Bei South Park ist die Satire ebenso wie die Provokation ein Spiel: Ein Spiel mit den Erwartungen und Bedürfnissen der Zuschauer, ein Spiel mit Tabus und Tabubrüchen und auch ein Spiel mit allen Metaebenen, die dieses Spiel hergibt.

Diese unbändige, erbarmungslose Kreativität der Macher führte zu glorreichen TV-Momenten: Unvergessen sind so zum Beispiel die Auftritte von Jesus, Gott, Satan oder Saddam Hussein (als Liebhaber von Satan). Unvergessen ist die wohl gelungensten Scientology-Demaskierung aller Zeiten (Trapped in the Closet), die umgehend zum Ausstieg eines Scientologymitgliedes aus dem Synchronisationscast zur Folge hatte, was wiederum in einer weiteren Episode (The Return of Chief) genial thematisiert wurde. Unvergessen ist die Folge About Last Night, die genau einen Tag nach der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten ausgestrahlt wurde und sowohl den Wahlkampf als auch seinen Sieg ins Absurde zog. Unvergessen ist der hintergründige Umgang mit Reizthemen wie Antisemitismus, Kindesmissbrauch, religiösem Fundamentalismus, Rassismus, Tierschutz und Homophobie. In all der Zeit gab es scheinbar kein Thema, dass von South Park nicht auf-, kein heißes Eisen, das nicht angegriffen, kein Tabu, das nicht verletzt wurde. Und dennoch beweisen die Kreativen hinter der Serie jede Woche erneut das Gegenteil.

Das erfrischende an South Park ist dabei vor allem seine Ambivalenz: Wo der direkte (mittlerweile meinweit ins Hintertreffen geratene) Konkurrent The Simpsons sich eindeutig im linksliberalen Milieu Amerikas positioniert, schießen Trey Parker und Matt Stone  in alle Richtungen. Demokraten, Greenpeace-Aktivisten, Bürgerrechtler… das Recht darauf, brutal verarscht zu werden, besitzt hier nicht nur die Rechte sondern ebenso die Linke. Mitunter führt dies sogar so weit, dass die Positionierung einiger Folgen radikal offen bleibt, wodurch diese perfekt geeignet sind bestehende Diskurse weiter anzuheizen. Ebenso verzichtet die Serie gerne darauf, es sich allzu leicht zu machen. Während andere Satiren die Ausfälle Britney Spears schnell dazu genutzt hätten, die Popsängerin weiter ins Lächerliche zu ziehen, nutzte South Park ihre Geschichte um eine düstere Parabel auf die Macht der Medien und deren brutalen Umgang mit jugendlichen Stars zu zeichnen. Das Ergebnis Britney’s New Look (Staffel 12, Folge 2) war eine der ernstesten und tragischsten Folgen der gesamten Serie.

Da passt die aktuelle Jubiläumsdoppelfolge wie die Faust aufs Auge: Sämtliche Prominente, die jemals bei South Park parodiert wurden, schließen sich zusammen, um die Stadt zu erpressen: Die Einwohner South Parks sollen ihnen Mohammed bringen, sonst werden sie verklagt, was wiederum das Ende des subversiven Hexenkessels zur Folge hätte. Warum Mohammed? Natürlich weil dieser das Goo besitzt, welches ihn seit mehreren Jahren davor schützt parodiert zu werden. Die Promis (allen voran Tom Cruise, der immer noch mit dem Trapped in the Closet Fall zu kämpfen hat) hoffen dieses Goo auf sich übertragen zu können und somit in Zukunft vor jeder Satire  geschützt zu sein. Dass diese absurde Geschichte eine grandiose Verarbeitung diverser Mohammed-Karikatur-Debatten ist, liegt auf der Hand. Dass Parker und Stone diese Debatte um tabuisierte bildliche Darstellung ausreizen würden, war zu erwarten. So wird der Prophet, da er natürlich nicht offiziell gezeigt werden darf, in einem Kleinbus versteckt oder kurzerhand mit einem überdimensionalen Bärenkostüm verkleidet. Die Reaktionen islamistischer Fundamentalisten auf diesen Coup waren ebenso zu erwarten, und so wird dann entsprechend im zweiten Teil der Doppelfolge (der diesen Mittwoch lief) exzessiv mit schwarzen Censored-Boxen und Peeps gearbeitet, die nicht nur F…Wörter wegpiepen sondern ebenso jede namentliche Erwähnung der islamischen Ikone, sowie die komplette  von einem der Protagonisten rührig vorgetragene Schlussmoral. Ob dieser Zensuroverkill von vorneherein intendiert war und einen weiteren Coup der Macher darstellt oder tatsächlich auf Druck von Seiten des Senders entstanden ist, bleibt bis dato nebulös. Aber das ist in dem Fall auch gar nicht entscheidend, da die Folge durch die Zensurmaßnahmen einen herrlich metareflexiven Mehrwert gewinnt.

So bleibt nur zu hoffen, dass uns South Park – trotz ständiger Querelen, Drohungen und Klagen – auch weitere 200 Episoden erhalten bleibt. Es gibt noch viel zu erzählen im satirischen Kosmos Stones und Parkers und so lange die Serie das Blut ihrer Kritiker derart in Wallung bringen kann, hat sie auch durch und durch ihre Existenzberechtigung.

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