The Room by Tommy Wiseau – Epischer Trashmeilenstein von 2003

Okay… Also es gibt schlechte Filme, die so schlecht sind, dass sie schon wieder Spaß machen. Es gibt Filme, die so schlecht sind, dass sie wieder Spaß machen und schon wieder schlecht werden… und natürlich solche, die dadurch schon wieder Spaß machen… Aber das ist nichts! Das ist Kinderkacke. Das ist harmloser Trash für zwischendurch, verglichen mit Tommy Wiseaus „As bad as it gets“ Meistermachwerk von 2003. Ed Wood und Uwe Boll haben ausgedient! Ladies and Gentlemen, introducing „The Room“.

Um zu verstehen, warum dieser Film so geworden ist, wie er ist, lohnt es sich erst einmal ein bisschen in den urbanen Legenden, rund um dieses – mittlerweile zum Kultfilm avancierte – ähmmm Erotikdrama (?) zu schnüffeln. Also kommen wir zuerst einmal zu den kreativen Schöpfern dieses cineatischen Meilensteins: „The Room“ basiert ursprünglich auf einer Novelle des bis dato unbekannten Autoren Tommy Wiseau. Begeistert von der komplexen Geschichte nahm sich der Dramaturg Tommy Wiseau des Stoffes an und schuf daraus das Drama „The Room“, das schließlich von Tommy Wiseau zu einem Drehbuch verarbeitet wurde. Dieser heuerte Tommy Wiseau als Regisseur an, der mit Tommy Wiseau schnell die ideale Hauptrolle für das knisternde Mammutwerk fand. Von diesem hochkarätigen Team schwer begeistert, entschied sich ein namhafter Produzent (Tommy Wiseau) dazu, das ganze Projekt zu finanzieren und sammelte innerhalb von 5 Jahren ganze 6 Millionen Dollar, um die aufwendige Produktion des Films stemmen zu können. Dabei wurde er vom ausführenden Produzenten Tommy Wiseau sowie der neu gegründeten Produktionsfirma Tommy Wiseau Films mit Rat und Tat unterstützt.

Okay… 6 Millionen Dollar hat „The Room“ also gekostet. Nach Angaben eines Nebendarstellers des Films  (Greg Ellery) orderte Tommy Wiseau von diesem Geld – offensichtlich ohne die geringste Ahnung von den Unterschieden zwischen 35mm und HD zu haben – sowohl eine Film- als auch eine Digitalkamera und nahm das gesamte Werk mit beiden Aufnahmegeräten parallel auf, die während der Drehs immer nebeneinander standen. 8 Monate dauerten so die expansiven Dreharbeiten, die hauptsächlich in Los Angeles stattfanden und in deren Verlauf das Drehteam des öfteren – wegen Unstimmigkeiten mit Regisseur, Autor, Produzent und Hauptdarsteller – ausgetauscht werden musste. Dieses Schicksal wurde unter anderem auch einem der Nebendarsteller zu Teil, dessen Verschwinden innerhalb des Films auf äußerst kreative Weise gelöst wurde. Auch die Postproduktion verschlang noch einmal einiges an Zeit, vor allem da unzählige Stellen im Studio nachsynchronisiert wurden. Aber 2003 war es dann endlich so weit. Im Laemmle Theatre in LA fand der Film seine verdiente Premiere vor einem gespannten Publikum.

Okay… Worum geht es in „The Room“. Johnny wird von seiner Verlobten Lisa mit seinem besten Freund Marc betrogen.

Okay… Kommen wir zu den Subplots und Nebencharakteren. Denn ohne diese würde dieses aufregende Werk nicht funktionieren. Als erstes wäre da Denny (Philipp Haldimann), ein zurückgebliebener Zwölfjähriger im Körper eines Zwanzigjährigen (?), der vorgibt erst sechzehn zu sein, anscheinend Drogenprobleme hat, scharf auf Lisa ist und von Johnny und Lisa wie ihr eigener Sohn umsorgt wird. Da wäre Lisas Mutter, die Johnny für einen guten Ehemann hält, Probleme mit ihrem Haus hat und an Brustkrebs erkrankt ist. Da gibt es ein mit Johnny und Lisa befreundetes Paar, das Sex in deren Wohnung hat (?), dabei erwischt wird und… Nein, das funktioniert so nicht. So dünn die Haupthandlung ist, so vielfältig und vollkommen unentbehrlich sind die zahllosen Subplots. Mehr noch: Sie passen nicht in den Film! Und hier ist nicht von „schlecht konstruiert“ oder ähnlichem die Rede… Nein, nein! Es ist einfach grundfalsch was hier geschieht. Es geht nicht! Es funktioniert nicht! It’s tearing me apart! Und deswegen jetzt Schluss mit dem Sarkasmus oder der Ironie! Stürzen wir uns auf ihn.

Es geht schon in den ersten Minuten los. Vollkommen unmotiviert kommt der kleine Denny zu Johnny und Lisa nach Hause, turnt auf deren Bett und verschwindet wieder. Und dann ist es erst einmal Zeit für Sex. Yes! Denn „The Room“ orientiert sich inszenierungstechnisch primär an Softerotikdramen der 90er Jahre. Eben war noch Mittag, aber in dem Moment als das Liebesspiel zwischen Johnny und Lisa beginnt, wird es tiefste Nacht. Wir sehen eine der unerotischsten, langweiligsten, längsten und nervtötendsten Sexszenen der Filmgeschichte. Es dauert gefühlte Stunden,  während die beiden Protagonisten sich mit Rosen bewerfen, eine Kissenschlacht veranstalten, sich gegenseitig ausziehen – plötzlich wieder halb angezogen sind – und schließlich ihre Brüste bzw. Hintern in die Kamera halten. Grauenvoll! GRAUENVOLL! Zu allem Überfluss wird exakt die selbe Szene in der Mitte des Films noch einmal 1:1 – mit anderer Kameraeinstellung – wiederholt, so wie alle „Erotik“-Szenen des Films mit nervtötendem RnB-Pop überzogen.

Aber das ist nicht die einzige Redundanz, die sich bei „The Room“ einschleichen wird:
1. Wie erfahren wir, was in Lisa vorgeht? Natürlich durch Gespräche mit ihrer Mutter. Diese Gespräche finden gleich mehrmals statt und haben immer den selben Inhalt: „Ich liebe Johnny nicht mehr!“ – „Wieso?“ – „Darum!“ – „Aber er ist gut.“ – „Nein, ist er nicht.“ Ernsthaft. Diesen Scheiß darf man sich in kleinen Variationen gleich viermal anhören.

2. Johnny spielt mit seinen Freunden Football. Ständig! Echt, die Jungs haben kein anderes Hobby. Aber nicht, dass sie ein ordentliches Spiel auf die Beine stellen. Sie werfen sich ständig einfach nur den Ball zu, aus geringer Distanz, vollkommen freudlos, während sie dabei ihre oberflächlichen Dialoge abfeuern.

3. Lisa hat eine Affäre mit Marc. Und verführt diesen, obwohl der immer etwas braucht, um die Verführung zu verstehen. Ja, immer! Obwohl die beiden schon dreimal Sex miteinander hatten, wirkt er trotzdem vollkommen konfus und überrascht, als Lisa plötzlich vor ihm ihre Bluse öffnet.

Wären die Redundanzen nicht schon nervig genug, schlagen die Abweichungen von diesen dem Fass den Boden aus. Während die Haupthandlung von belanglosem Dialog zu belangloser Sexszene zu belanglosem Dialog wandert, schleichen sich vollkommen unnötige, fast schon surreale Subplots in das Geschehen ein: Denny wird auf dem Dach von einem Drogendealer, dem er Geld schuldet, bedroht. Johnny und seine Freunde eilen ihm zur Hilfe. So what? Diese Szene hat nicht nur keinerlei Relevanz für die Haupthandlung, sie bleibt auch die einzige in diesem Storytrang. Kein weiteres Wort mehr zu Denny Drogensucht, kein Wort zu der dunklen Seite des städtischen Lebens. Different Subplot, same problem: Der Brustkrebs von Lisas Mutter. Genau ein einziges Mal in einem Nebensatz erwähnt, und dann: Finito. Er spielt keine Rolle mehr, nicht mal ansatzweise. Das Selbe gilt auch für die vollkommen unlustige Szene, in der das junge Paar in Johnnys Wohnung beim Sex erwischt wird… Oh Halt! Das wird sogar nochmal aufgegriffen: in einer „Football“-Szene, in der der Betroffene Johnny von dem peinlichen Zwischenfall erzählt und anschließend von Marc so heftig geschubst wird (Why?), dass er sich einen Knöchel verstaucht (?) oder bricht (?) oder… Ist ja auch völlig egal. Denn von da an hat weder die Figur noch dieses Ereignis irgendeine Relevanz für das weitere Geschehen.

Hervorzuheben sei noch einmal die Schauspielleistung das Schauspiel: Es findet nicht statt. Während die anderen Darsteller sich zumindest bemühen, stolpert Tommy Wiseau gelangweilt von Szene zu Szene, spricht Wörter falsch aus, spielt emotionale Regungen vollkommen, aber wirklich vollkommen neben der Spur. Zur Bebilderung eine aussagekräftige Szene:

Braucht das eine nähere Erläuterung? Wohl kaum. Ebenso wenig das vollkommen unangebrachte Gelache des Protagonisten in zahllosen Szenen, die „Uhs“ und „Huhs“ mit den Sätze eingeleitet und beendet werden; soll wohl Authentizität erzeugen, sorgt aber eher für Magenkrämpfe. Mitunter erreicht das Geschehen, in Kombination mit dem hastigen, beiläufigen Amateurschauspiel und den wirren Dialogen fast schon eine absurde Form von Surrealismus:

Fast schon kafkaesk in seiner grotesken Schnelligkeit, übrigens auch vollkommen ohne dem restlichen Geschehen etwas beitragen zu können. Das tun auch die eingestreuten urbanen Bilder nicht, die wohl einen Raum für den Film erzeugen sollten. Tun sie nicht, stattdessen wirken die Kulissen fast immer wie eine zweitklassige Studioumgebung. Heh, nur weil zufällig Stadtbilder gezeigt werden, bekommt der Zuschauer noch lange nicht das Gefühl in einer Stadt zu sein. Erst recht nicht, wenn dies völlig unmotiviert mitten in einer Partyszene geschieht – ohne das die Panoramen, wie es in jedem anderen Film wäre, zur nächsten Szene zu leiten.

Ein Wort noch zu den Plotholes: So dünn die eigentliche Handlung ist, so vielzählig sind die Löcher und Ungereimtheiten, die diese aufweist: Johnny wird mehr als einmal mit der Nase darauf gestoßen, dass seine Frau nichts mehr für ihn übrig hat: Abgetan wird das meistens mit einem debilen Lachen, verarbeitet in einer kurzen Wutszene oder einem vollkommen sinnentleerten Gespräch. Und dann: back to normal. Ein Aufnahmegerät hilft zur letztendlichen „Enttarnung“ der Affäre. Wo das herkommt? Irrelevant. Ob es nötig war. Wohl kaum? Knutschen Lisa und Marc doch schon vorher auf Johnnys Geburtstagsparty, telefoniert sie mit ihrem Lover, während der Gehörnte direkt neben ihr im Badezimmer sitzt, kann er doch vorher schon Gespräche belauschen, die klar machen was Sache ist… Continuity gab es am Set wie im Drehbuch wohl keine, und Erklärungen, warum die Jungs in ihren schicksten Anzügen Football spielen, muss es auch nicht geben…

Wow… nein, es gäbe echt noch mehr als genug zu diesem epischen Trashfeuerwerk zu sagen. Und kein Satz wäre verschwendet. Immerhin genießt „The Room“ in den USA mittlerweile Kultstatus und diverse Kinovorführungen, bei denen bei vollbesetztem Saal das Publikum johlend und schreiend den Film feiert, jede dämliche Szene kommentiert (also unentwegt zwischenschreit) und mit Plastiklöffeln um sich wirft. Diese Events müssen mittlerweile von der Festlichkeit Aufführungen der „Rocky Horror Picture Show“ gleichen, ein Umstand den auch Tommy Wiseau zu würdigen weiss, der den Film ‚posthum‘ als schwarze Komödie bezeichnete (siehe Trailer) und sich angeblich über die ‚rege Beteiligung‘ des Publikums freut. Dass der Film sich ernst nimmt… wirklich ernst nimmt, viel zu ernst nimmt, kann das unfreiwillig komische Werk allerdings an keiner Stelle verbergen.

Ist er es also wert gesehen zu werden? Definitiv! „The Room“ ist ein Lehrstück darüber was man alles falsch machen kann, was alles schief gehen kann, wie ein Film mit vollem Karacho gegen die Wand fährt. Bei einem Low-Budget-Streifen und ersten Filmschritten wäre es wohlmöglich ungerecht, derart zu lästern. Aber bedenken wir: Der Film hat 6 Millionen Dollar gekostet, wurde stattlich promoted, schamlos dem Mainstreammarkt zugänglich gemacht und mit stolzgeschwellter Brust verkauft… Und ja verdammt: Neben seinem Lehrstückcharakter ist er ein riesiges außerordentliches Vergnügen. Er ist so falsch, abgrundtief schlecht, so bitter und neben der Spur, dass es vor allem mit cineastischen Freunden ein wahres Vergnügen ist ihn zu schauen. Auf die Knie Ed Wood, schleich dich Uwe Boll, Sayonara Roger Corman. Here’s the real man, the master of the schlechtest: Verbeugen wir uns ehrfurchtsvoll vor dem größten Filmdilettanten aller Zeiten: Tommy Wiseau.

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