Schlagwort: Tragödie

Kill List (2011) – Ein düsterer, gnadenloser Genrehybrid

Mal so ein kleines Rezensenten-Geständnis: Ich liebe die Kategorisierung Genre-Bastard, genauso wie ich Filme liebe, die in diese Kategorie fallen. Und auch wenn ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon habe, was ich unter dem Begriff „Genre-Bastard“ verstehe, so habe ich mir doch nie eine einheitliche Definition dieses Neologismus zu Gemüte geführt, obwohl ich ihn auch in anderen Rezensionen des öfteren lesen durfte. Also was ist, in meiner Lesart, ein Genrebastard? Natürlich erst einmal ein Kind, ein Spross von gleich mehreren verschiedenen Genres: Science Fiction, Horror, Fantasy, Drama, Thriller… am besten sind gleich mehrere klassische Filmgenres die Eltern und das Ergebnis ist ein herrliches Crossover ihrer besten, manchmal auch ihrer, schlechtesten Eigenschaften. Aber da ist ja auch noch mehr. Immerhin ist „Bastard“ alles andere als ein netter Begriff, ist er doch die – mittlerweile sowohl sozial als auch sprachlich – überholte Bezeichnung für ein uneheliches Kind, entstanden durch eine Affäre und rechtlich nicht als Nachkomme anerkannt. Und genau das sind auch Genre-Bastards: gezeugt außerhalb der konventionellen Genrerahmen, wie bereits gesagt gleich mehrere Genregrenzen überschreitend und dabei – und das ist in der Tat sehr wichtig – derart neben den üblichen Genrespuren, dass sie von keiner Kategorie so richtig akzeptiert werden, gerne auch den Fans des jeweiligen Genres gegen den Strich gehen und im krassesten Fall vom klassischen Genrepublikum rundheraus abgelehnt werden. Ein Genrebastard ist spröde, hässlich, schwer zu konsumieren, schwer zu ertragen und alles andere als klassische Genrekost. Und wozu diese lange Vorrede? Ihr werdet es euch denken können: Wenn ein Film die Kategorisierung Genre-Bastard verdient, dann Ben Wheatleys 2011er Thriller/Drama/Horror-Hybrid Kill List.

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Die besten Filme 2017: Lady MacBeth

Lady MacBeth gehört wohl zu den spannendsten und zugleich furchteinflößendsten Figuren, die William Shakespeare jemals erdichtet hat. Die Lady Macbeth von Mzensk ist der Titel einer 1865 von Nikolaj S. Leskow geschriebenen russischen Novelle, die in der von Dostojewski redigierten Zeitschrift Epocha zum ersten Mal veröffentlicht wurde, 1934 zu einer Oper adaptiert und schließlich im Jahr 2016 von William Oldroyd (ziemlich frei) verfilmt. Jene letzte Adaption – erstaunlicherweise das Langfilmdebüt ihres Regisseurs – brauchte ein gutes Jahr, bis sie in die amerikanischen und deutschen Kinos kam. Und auch wenn der Film zumindest in Großbritannien einige Auszeichnungen einheimsen durfte, scheint er bei der Frage nach den besten Filmen der letzten Jahre ein wenig untergegangen zu sein. Das ist mehr als bedauerlich, verbirgt sich doch unter seiner ruhigen Fassade ein kleiner Filmjuwel und zudem eine ziemlich brutale, verstörende Tragödie, die in sich das Potential birgt, – nicht nur im positiven Sinne – kontrovers rezipiert zu werden.

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Die besten Epen und Historienfilme der 90er Jahre

Wie schon im letzten Jahrzehnt sind die Epen als Filmgenre schwer zu greifen: Groß, bombastisch, pompös, meist historisch, oft bilderverliebt und grundsätzlich immer mit gigantomanischem und universellen Anspruch. Manchmal eskapistisch, manchmal aber auch düster und realistisch, manchmal sogar introspektiv… Aber irgendwie immer ein bisschen größer (und oft genug länger) als das, was es sonst im Kino zu sehen gibt. Here they come…

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Die besten Thriller des Jahres 2017: A Beautiful Day / You were never really here

Nicht nur – aber auch – in Blockbustern, nicht nur – aber auch – in Serien, nicht nur – aber auch – im Genrekino – hat sich in den letzten Jahren eine „düsterer ist besser“-Attitüde breit gemacht. Was den 80ern ihr Gore und den 90ern ihre Slapstickcomedy war, ist den 2010ern ihre Tristesse und ihr Pessimismus. Man kann es schon fast als Fetisch der Dekade bezeichnen, wenn so unterschiedliche Werke wie die Serie Breaking Bad, Horrorfilme wie Hereditary oder gar ehemals bunte Superheldenfilme wie die Superman-Saga sich ordentlich darum bemühen, ihr Szenario immer trostloser, kälter und deprimierender scheinen zu lassen. Wozu diese Vorrede? Nun, sollte es eine geheime Krone für den pessimistischsten cineastischen Blick auf die Welt geben, dürfte Lynne Ramsays „You were never really here“ – in Deutschland unter dem zynischen Titel „A beautiful Day“ vermarktet – ganz vorne mitspielen… Und vollkommen unabhängig davon definitiv zu den Thrillermeilensteinen des Jahres 2017 gehören.

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Eiskalter Mummenschanz – Rezension zum besten (?) Horrorfilm des Jahres: Hereditary

Selten in den Jahren zuvor waren sich Horrorfilmfreunde und Kritiker derart einig: Noch bevor das Kinojahr zu Ende geht, eigentlich schon bei seinem Erscheinen, wurde Ari Asters Debütfilm Hereditary zum Horrorereignis des Jahres erklärt und auch gleich in die Tradition des in den letzten Jahren vielbeschworenen Genres des Post-Horror eingeordnet: Ein Logenplatz direkt neben – doch so unterschiedlichen – Werken wie The Vvitch, Get out und It follows, das nächste Meisterwerk, das dem Genre die notwendigen Innovationen verleiht und Horror zu so viel mehr macht, als das Genre in den Jahren davor war. Um mal gleich so viel vorweg zu nehmen: Ja, irgendwie ist es schon okayisch bei all diesen Filmen von Post Horror zu sprechen… und ja, irgendwie gehört Hereditary da auch rein, insbesondere Dank seiner Ähnlichkeit zum 2015er Meisterwerk The Vvitch… Und ja, für einen Debütfilm ist dieser kleine Genrebastard auch wirklich beeindruckend. Zum absoluten Meisterwerk – geschweige denn zum besten Horrorfilm des Jahres – taugt er aber dann doch nicht. Allein schon, weil er ein gutes Stück vor seinem Ende vollends in sich zusammenfällt und einen Genrehopser macht, der so manchen Horrorfan ratlos zurücklassen dürfte.

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Die besten Dramen der 2000er Jahre I

Die besten Dramen des Jahrzehnts? Aha! Höhnisch könnte man jetzt sagen: „Der ganze Rest also!“ Und genau genommen stimmt das auch ein bisschen. Viele Filme unserer bisherigen 00er-Rückblicke könnte man problemlos auch hier einordnen. Ein gelungenes Drama hat es eben auch an sich, dass es schwer zu kategorisieren ist: Mit lustigen Elementen, ohne gleich eine ausgewachsene Komödie zu sein, spannend ohne den Thrillfaktor zu sehr in den Vordergrund zu stellen, komplex, ohne den Bezug zur Wirklichkeit zu verlieren und ins Surreale abzudriften… Sagen wir es einfach so: Hier versammelt sich das klassische und progressive Erzählkino: Filme die Emotionen wecken, die begeistern, die faszinieren und die mitleiden und mitfreuen lassen… okay, der ganze Rest eben. Und da dieser unmöglich in einen einzigen Artikel passt, folgt demnächt auch ein kleiner Nachschlag.

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Die besten Theateradaptionen und verfilmten Bühnenstücke der 2000er Jahre

Theater und Kino… zwei Medien, die allzu oft in einen Antagonismus gerückt werden, in dem sie sich nicht befinden müssen. Das Theater kann einiges vom Film lernen (und viele zeitgenössische, progressive Regisseure machen davon auch Gebrauch), genau so wie das Kino viel von der Bühne lernen kann. Zudem liefert die Theaterwelt schlicht und ergreifend eine unüberschaubare Menge hervorragender dramtischer Vorlagen, die durch die technischen Möglichkeiten des Films ganz neue Seiten offenbaren können. Es folgen die Filme der letzten Dekade, die diese Möglichkeiten am besten ausgeschöpft haben. Gelungene, präzise Bühnenadaptionen, Filme die sich ästhetisch am Theater orientieren oder einfach mit den begrenzten Möglichkeiten der Bühne auseinandersetzen. Anspruchsvolle Kammerspiele ebenso wie opulente Musicals. Postmoderne Avantgardewerke ebenso wie reanimierte Klassiker. Bühne frei! Direkt nach dem Klick…

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Die besten Epen der 2000er Jahre

Ein Genre, dessen filmische Einordnung äußerst schwierig ist, dessen Definitionsmöglichkeiten vielseitig und ambivalent sind… Traditionell ist ein Epos eine Versschöpfung, eine lyrische Erzählung im Stile der Ilias oder des Nibelungenliedes. Jedoch hat sich die Definition des Genres im Laufe der Zeit, der Geschichte der Medien gewandelt und erweitert. So definierte der Philosoph und Literaturkritiker Georg Lukacs das Epos als „die Gestaltung einer geschlossenen Lebenstotalität“, die sich von der privaten Sicht eines Romanes abgrenze. Die vorwiegend historischen und zugleich  universellen Topoi epischer Werke wurden besonders im klassischen Monumentalfilm der 50er Jahre vielfach bearbeitet (Ben Hur, Die zehn Gebote). Filmkritikguru Roger Ebert machte die Definition des epischen Kinos schließlich an seiner visionären Kraft fest (um im selben Atemzug ordentlich über Pearl Harbour zu lästern). Aber genug des Vorgeplänkels: Wir verstehen hier unter epischem Kino große, ausladende Filme: Sittengemälde, historische und aktuelle Panoramen, monumentale Gemälde, universelle Visionen und Gedanken und natürlich alles was irgendwie in diesen großen Rahmen, in diese schwammige Bezeichnung miteingeschlossen werden kann (Darin fallen übrigens auch einige bei den Fantasyfilmen, Tragikomödien oder Thrillern erwähnte Titel, die hier allerdings kein zweites Mal aufgeführt werden). Also dann die Besten des Jahrzehnts, wie immer mit kurzer Beschreibung und audiovisuellem Anschauungsmaterial unmittelbar nach dem Break.

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Bergman, Cronenberg und Lynch in Berlin – Der surreale Horror-Kultfilm Possession

Ein polnischer Regisseur dreht mit internationalen Darstellern einen englischsprachigen Film im geteilten Berlin der frühen 80er Jahre. Was in der Beschreibung bereits ambitioniert klingt, ist im Endergebnis eine höchst absurde Tour de Force, ein wahnwitziger Horrorschocker über jegliche Klassen- und Genrezuschreibungen hinaus. Andrzej Zulawski pfeift auf gängige Konventionen und liefert mit Possession eine wüste Mischung aus Ehedrama, Kammerspiel, Psychogramm, Bodyhorror und metaphysischem Surrealen Mysterythriller, die dem Zuschauer ein ums andere Mal den Boden unter den Füßen wegzieht. Dem Verleih Bildstörung ist es zu verdanken, dass der rare Kultfilm seit 2009 auch in Deutschland ungekürzt auf DVD erhältlich ist.

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Scheitern im Großen – Klaus Kinskis legendäre Rezitation „Jesus Christus Erlöser“ auf DVD

Du, der so ein großes Maul hat, kommst jetzt nach vorne – sagt Schauspieler Klaus Kinski und fixiert mit einem starren Blick einen seiner Zuhörer, die immer wieder durch laute Zwischenrufe das Programm stören. Ein nervöser, stiller Herr von den funkelnden Augen Kinskis malträtiert, betritt die Bühne. Zaghaft spricht er ins Mikrophon: Er denke, dass viele hier Jesus suchen würden, aber Klaus Kinski, Schauspieler, Rezitator, der Deutschen liebster Soziopath sei es mit Sicherheit nicht. Denn Jesus hätte Vergebung und Geduld gelehrt und er hätte, wenn ihm jemand widersprochen hätte, versucht diesen mit Argumenten zu überzeugen. „Nein“ ist die wütende Antwort Kinskis. „Er hätte eine Peitsche genommen und ihm in die Fresse gehauen“, brüllt er wie von der Tarantel gestochen, nur um den Störenfried im nächsten Moment mit einem cholerischen „Du dumme Sau!“ von der Bühne zu jagen.

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Die besten Filme 2016: I am not a serial killer – Und der ewige Kampf Böse gegen Böse

2016 war ein gutes Jahr für die Verknüpfung von Horror und Young Adult Drama. Unter anderem mit dem folkloristischen Antimärchen The Witch, Nicolas Winding Refns Neon Demon und dem Kannibalismus-Flick Raw gab es gleich mehrere Filme, die die Tragik junger Erwachsener (oder erwachsener Jugendlicher) mit klassischen Horrormotiven und absurden Mysterysettings kreuzten. So angesehen diese Filme bei der Kritik und dem Genrepublikum auch waren, abgesehen von The Vvitch, der ungefähr das zehnfache seines Budgets einspielte, war keiner dieser Filme an den Kinokassen sonderlich erfolgreich. Selbst in Zeiten des Stranger Things Erfolgs ist die Kombination Coming of Age und Horror eben doch eine riskante, insbesondere wenn sie sich im Gegensatz zum Netflix-Hit trotz junger Protagonistinnen kein junges Publikum zum Ziel gewählt hat, sondern mit extremer Gewaltdarstellung und düsteren Motiven bewusst ein Erwachsenes Publikum anspricht. In diese Nische fällt auch Billy O’Briens I Am Not a Serial Killer (2016), die Verfilmung des gleichnamigen Romans aus dem Jahr 2009, der selbst im Vergleich zu den anderen Werken nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat. Dabei ist es vielleicht gerade er, dem die Erzählung des Alptraums Pubertät hinter einer gnadenlosen Horrorfassade am besten gelingt.

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Die besten Filme 2016: Nocturnal Animals

Okay, gleich mal eine Art Offenlegung: Ich musste Tom Ford googlen. Bei Nocturnal Animals (2016) handelt es sich zwar um den erst zweiten Film des Regisseurs nach A single man (2009), außerhalb des Kinouniversums ist er allerdings alles andere als unbekannt. Tom Ford ist Modedesigner, und allem Anschein nach ein verdammt erfolgreicher Modedesigner: Chefdesigner bei Gucci, Privatperson mit dem größten Gucci-Aktienanteil, Prêt-à-porter-Designer bei SYL und schließlich – nachdem er Gucci 2004 verlassen hatte – Gründer seines eigenen Modelabels, dass er ganz bescheiden Tom Ford International, LLC nennt. Der Mann hat offensichtlich ein Gespür für Mode und Modevermarktung und das sieht man auch seiner Verfilmung des Romans Tony & Susan (1993) an. Bleibt die Frage, ob der Film mehr zu bieten hat als die Schauwerte eines Fashion-Experten.

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Die besten Horrofilme 2016: The Witch – Horror als folkloristische Tragödie

Das mythologische Erbe des Christentums hat dem Horrorfilm einen großen Fundus an Motiven und Schreckensbildern hinterlassen, durchaus auch problematische. Denn während weibliche Magie in anderen Genres – insbesondere dem Fantasykino – in den verschiedensten Facetten und Farben dargestellt und ausgelebt wird, beruft sich der Horrorfilm meistens auf die fiktiven Schreckensgeschichten, die in der frühen Neuzeit für ganz realen Schrecken gesorgt haben: Von Häxan (1920) über Suspiria (1977) bis zum Blair Witch Project (1999); das was der moderne Horrofilm unter Hexenzauberei versteht, ist genau das, was bereits die Hexenprozesse darunter verstanden und womit sie Gewalt und Mord legitimierten. Ohne Zweifel hat das moderne Horrorkino damit eine ganze Menge Misogynie geerbt, gehegt und gepflegt, ohne deren düsteren Ursprünge zu reflektieren. Lars von Trier hat dies in seinem Antichrist (2009) versucht und war dabei ebenso erfolgreich, wie er krachend gescheitert ist. Es ist eben auch alles andere als einfach, Horror zu evozieren und zugleich die grausame Rolle der Angst vor dem Weiblichen in der neuzeitlichen Mythologie des Christentums zu reflektieren.

An diesem Punkt setzt The Witch (2016) an, indem er einen ganz und gar radikal traditionellen Weg einschlägt: Er inszeniert Aussagen der Hexenprozesse als realen Schrecken und kontrastiert diese mit dem Horror des ganz alltäglichen puritanischen Lebens der damaligen Zeit. Und so harmonieren und kämpfen in ihm historisch akkurates Porträt, Auseinandersetzung mit der frühneuzeitlichen Fantastik und Hexenhorror miteinander, um zu einem der wohl authentischsten historischen Horrorporträts der Filmgeschichte zu gelangen.

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Die besten Filme 2016: Neon Demon von Nicolas Winding Refn

Lieber Herr Refn,
Sie wie ich haben wahrscheinlich gerade ein Deja Vu. Richtig, es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich Ihnen bereits einen Brief geschrieben. Der Anlass war damals Ihr neuester Film Only God forgives, der mir gelinde gesagt ein wenig zu sehr die Kunst über den Menschen stellte. Und als Setting für dessen Nachfolger suchen Sie sich jetzt ausgerechnet die Modeszene aus? Sie machen es einem aber auch wirklich nicht einfach. Schon wieder ein eiskaltes, unmenschliches Szenario? Und jetzt auch noch glitzernd oberflächlich? Als ob sie nicht genug an ihrer eigenen surrealistischen, symbolistischen Oberflächlichkeit zu arbeiten hätten? Und was soll dann noch zusätzlich dieses prätentiöse NWR, das als Kürzel ihres Namens diesen Film ziert? Als wollten sie ein Gemälde signieren? Geht es denn überhaupt noch selbstverliebter, artifizieller? Ja, Sie machen es einem wirklich nicht leicht, und Sie brauchen sich auch – ganz ehrlich gesagt – nicht zu wundern, wenn man mit gewissen Vorbehalten an ihren aktuellen Film herangeht. Allein dieser Titel: Neon Demon (2016), das ist mal wieder groß, gewaltig, spirituell überspitzt. Aber wissen Sie was, Sie und ihr Werk sind einfach zu faszinierend, als dass ich die Flinte einfach ins Korn werfen würde. Ich will versuchen so vorurteilsfrei wie möglich das neue NWR-Kunstwerk zu genießen. Vielleicht gibt es doch mehr zu holen als ein bloßes „Schon wieder?“.

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Breaking Bad S05e16: Felina – The Final Catharsis

Also dann… ich schulde – wie mir jetzt schon mehrfach zugetragen wurde – der Welt noch ein Recap der letzten Breaking Bad Episode. Und um das dann gleich vorweg zu schicken: Ja, sorry, ich habe mich echt so lange um diese Review gedrückt, da kann ich auch gleich zu Beginn des Textes den Grund dafür nennen: Die letzte Episode von Breaking Bad hat mich partiell durchaus unterwältigt. Bevor ich hier missverstanden werde: Ich halte auch Felina für ein großartiges Stück Fernsehen, für 60 Minuten, nach denen sich so ziemlich jede andere Serie die Finger lecken würde. Es war noch einmal alles drin, wofür ich Breaking Bad in den letzten Jahren so geliebt habe: Die Spannung, der schwarze Humor, das große Drama… aber etwas Entscheidendes hat dann doch gefehlt, weswegen ich das Finale „nur“ als „sehr gut“ bewerten kann: Die Düsternis, die Abgefucktheit, die so viele Episoden zuvor ausgezeichnet hat; dieses Gefühl: „Oh mein Gott, jetzt kann es echt nicht mehr böser kommen!“ und gleich daran anschließend die bittere Erkenntnis: „Oh fuck, es geht also doch noch böser!“ Mit seinem versöhnlichen und durch und durch befriedigenden Ende liefert Felina einen starken, routinierten Abschluss der Serie und schert damit zugleich, zumindest teilweise, aus der bisherigen Dramaturgie und Narration der Serie aus. Breaking Bad ist damit sauber und rund zu Ende geführt, die wahre Größe der Serie indes findet man eher in anderen Episoden.

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Breaking Bad S05e10: Buried – Gedanken, Spoiler, Kinderkarusselle

Ein junger Mann liegt mit apathischem Blick auf einer Schaukel, die sich unentwegt dreht: Vielleicht wie der Lauf eines Revolvers als Antizipation eines kommenden, blutigen Showdowns, vielleicht wie ein Folterrad, das symbolisiert, wie sehr dieser Mann durch das Leid gegangen ist, vielleicht als Darstellung eines Toten, der auf Erlösung hofft… vielleicht aber auch einfach als Symbol der kindlichen Unschuld, die dieser Mann nach wie vor, trotz seiner Erlebnisse, im tiefsten Herzen in sich trägt. Was auch immer das Kinderkarussell am Anfang von Buried – der zehnten Folge der fünften Staffel von Breaking Bad – bedeuten mag, eins ist sicher: Der darauf liegende Jesse ist am Ende…

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Breaking Bad S05e09: Blood Money – Gedanken, Spoiler, Crystal…

Hell yes! Ich unterbreche meinen – viel zu spät begonnenen Recap – der ersten vier Breaking Bad Staffeln, um an dieser Stelle einfach mal ein paar Gedanken zu den aktuellen Folgen loszuwerden. Ab sofort also jeden Montag, sofern es meine Zeit zulässt und sofern mein Meth-Dealer aus Neuland zuverlässig ist, ein paar vollkommen verspoilerte Gedanken zu der jeweils aktuellen Folge. Im besten Fall immer pünktlich, im besten Fall bis zum Ende der Serie. Falls ihr die Episode Neun der fünften Staffel Blood Money also noch nicht gesehen habt und euch nicht den Spaß verderben wollt, lest an dieser Stelle nicht weiter… Und noch ne kleine Warnung: Die Gedanken kommen jetzt frisch vom ersten Seh-Eindruck, könnten also etwas unsortiert und chaotisch sein. So be it…

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Kritik (an) der praktischen Vernunft – Rezension zu LIEBE von Michael Haneke

In seinem zweiten großen Hauptwerk, der Kritik der praktischen Vernunft (1788) versucht sich Immanuel Kant an der Frage „Was soll ich tun?“ und entwirft dabei eine ethische Theorie, in der der vernunftbegabte Wille  zur zentralen Maxime für moralisch richtiges Handeln wird. Mit seinem Fokus auf dem Willen zur Beurteilung der Sittsamkeit spezifischer Handlungen gehört Kant zu den berühmtesten Verfechtern der Deontologie in der Geschichte der Moralphilosophie. Gut ist, was aus gutem Willen entsteht, am schärfsten vermutlich formuliert in der Einleitung zu seiner Grundlegung der Metaphysik der Sitten (1785), in der es heißt: „„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille.“ Handlungen, die einzig und allein auf Liebe, auf bedingungsloser Zuneigung zu einem anderen Menschen basieren, können demzufolge nur gute, richtige Handlungen sein, vollkommen gleich wie ihr Ergebnis aussieht. Genau diese radikale Konsequenz aus einer deontologischen Ethik stellt Michael Haneke in seinem neuen Film Liebe (2012) dar: Eine Geschichte, die primär von absoluter Liebe handelt und deren Konsequenzen bis zum bitteren Ende verfolgt, darstellt und kritisch reflektiert.

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