Schlagwort: Drama

Die besten surrealen Filme und die besten Mysteryfilme der 90er Jahre

Das Mystery-Genre war in den 90ern – ebenso wie der Surrealismus seit jeher – eine filmische Gattung die eher an der Peripherie stattfand. Für ein Massenpublikum waren die Themen der Filme meist zu obskur, die Erzählhaltungen zu distanziert. Aber abseits von Hollywood gelang es dem Genre dennoch sich eine treue Fangemeinde zu erarbeiten. Insbesondere die Filme von David Lynch – der auch in den 00er Jahren überfleißig war – haben sich zu echten Kultfilmen der Szene entwickelt. Und dann gab es da natürlich noch den berühmten Mysteryboom in der zweiten Hälfte der Dekade: Angestachelt durch die TV-Erfolge von Akte X und schließlich den Höhepunkt mit dem Kassenschlager und Instantklassiker „The sixth Sense“ erlebend. Ironischerweise brachte die folgende Schwemme an Mystery-Epigonen keinen einzigen herauragenden Genrebeitrag hervor, stattdessen nicht viel mehr als ein müde Reihe an Plagiaten, die in die 00er Jahre hinüberschwappten, um das Publikum dort zu langweilen. Anyway, trotz des subkulturellen Flairs des Mystery, trotz der praktischen Nichtvorhandenheit des Surrealismus in den Kinosälen, gibt es hier auch in den 90ern so manches Entdeckenswertes. Wir haben es gesammelt…

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Rezension zu Schloss aus Glas (2017)

In ihrem 2005er autobiographischen Roman The Glass Castle verarbeitet die Autorin Jeannette Walls Episoden ihrer Kindheit, die vor allem von dem unkonventionellen Lebensstil ihrer Eltern geprägt war. Ihre künstlerisch besessene Mutter und ihr bipolarer, alkoholabhängiger Vater entschieden sich bewusst – aber auch aus Unfähigkeit heraus, ihr Leben in geregelte Bahnen zu lenken – für ein Outsider-Dasein am Rande der Gesellschaft; irgendwo zwischen Freiheit und Vagabundiererei, irgendwo zwischen rebellischer Unangepasstheit, radikalem Idealismus und Verwahrlosung. Die gleichnamige Verfilmung aus dem Jahr 2017 versucht dieser ambivalenten Autobiographie gerecht zu werden und landet dabei in einer durchaus trendenden Nische von Outlaw-Familien-Geschichten, die zum Beispiel durch das Sozialmärchen Captain Fantastic (2016), die Tragikomödie Little Miss Sunshine (2006) oder das Drama Manchester by the Sea (2016) in den letzten Jahren immer wieder für starkes emotionales Kino gut waren. Und zugleich versucht er sich von dem oft romantisierenden Touch seiner Vor- und Mitläufer abzuheben.

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Kill List (2011) – Ein düsterer, gnadenloser Genrehybrid

Mal so ein kleines Rezensenten-Geständnis: Ich liebe die Kategorisierung Genre-Bastard, genauso wie ich Filme liebe, die in diese Kategorie fallen. Und auch wenn ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon habe, was ich unter dem Begriff „Genre-Bastard“ verstehe, so habe ich mir doch nie eine einheitliche Definition dieses Neologismus zu Gemüte geführt, obwohl ich ihn auch in anderen Rezensionen des öfteren lesen durfte. Also was ist, in meiner Lesart, ein Genrebastard? Natürlich erst einmal ein Kind, ein Spross von gleich mehreren verschiedenen Genres: Science Fiction, Horror, Fantasy, Drama, Thriller… am besten sind gleich mehrere klassische Filmgenres die Eltern und das Ergebnis ist ein herrliches Crossover ihrer besten, manchmal auch ihrer, schlechtesten Eigenschaften. Aber da ist ja auch noch mehr. Immerhin ist „Bastard“ alles andere als ein netter Begriff, ist er doch die – mittlerweile sowohl sozial als auch sprachlich – überholte Bezeichnung für ein uneheliches Kind, entstanden durch eine Affäre und rechtlich nicht als Nachkomme anerkannt. Und genau das sind auch Genre-Bastards: gezeugt außerhalb der konventionellen Genrerahmen, wie bereits gesagt gleich mehrere Genregrenzen überschreitend und dabei – und das ist in der Tat sehr wichtig – derart neben den üblichen Genrespuren, dass sie von keiner Kategorie so richtig akzeptiert werden, gerne auch den Fans des jeweiligen Genres gegen den Strich gehen und im krassesten Fall vom klassischen Genrepublikum rundheraus abgelehnt werden. Ein Genrebastard ist spröde, hässlich, schwer zu konsumieren, schwer zu ertragen und alles andere als klassische Genrekost. Und wozu diese lange Vorrede? Ihr werdet es euch denken können: Wenn ein Film die Kategorisierung Genre-Bastard verdient, dann Ben Wheatleys 2011er Thriller/Drama/Horror-Hybrid Kill List.

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Die besten Filme 2017: Lady MacBeth

Lady MacBeth gehört wohl zu den spannendsten und zugleich furchteinflößendsten Figuren, die William Shakespeare jemals erdichtet hat. Die Lady Macbeth von Mzensk ist der Titel einer 1865 von Nikolaj S. Leskow geschriebenen russischen Novelle, die in der von Dostojewski redigierten Zeitschrift Epocha zum ersten Mal veröffentlicht wurde, 1934 zu einer Oper adaptiert und schließlich im Jahr 2016 von William Oldroyd (ziemlich frei) verfilmt. Jene letzte Adaption – erstaunlicherweise das Langfilmdebüt ihres Regisseurs – brauchte ein gutes Jahr, bis sie in die amerikanischen und deutschen Kinos kam. Und auch wenn der Film zumindest in Großbritannien einige Auszeichnungen einheimsen durfte, scheint er bei der Frage nach den besten Filmen der letzten Jahre ein wenig untergegangen zu sein. Das ist mehr als bedauerlich, verbirgt sich doch unter seiner ruhigen Fassade ein kleiner Filmjuwel und zudem eine ziemlich brutale, verstörende Tragödie, die in sich das Potential birgt, – nicht nur im positiven Sinne – kontrovers rezipiert zu werden.

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Die besten Kriegsfilme der 90er Jahre – Warum Saving Private Ryan da nicht rein gehört

Was wir auf der Leinwand sehen, könnte der bis dato  heftigste Antikriegsfilm aller Zeiten, zumindest aber der extremste Kriegsfilm der 90er sein. Ein blutiges – phasenweise kaum zu ertragendes – Gemetzel ohne Vergleichsmöglichkeit: Der Sturm auf den Strand in der Normandie, ohne Musik, ohne unnötige Effekte, stattdessen mit verwackelter Handkamera, aus der Sicht einfacher Soldaten und direkt im Geschehen, nah, unter die Haut fahrend und gewalttätig. Das Licht im Kinosaal ist gerade ausgegangen, da geht es auch schon los. Die amerikanischen Soldaten sitzen in ihren Landebooten, blass, übermüdet verängstigt, die ersten von ihnen übergeben sich bereits und dann wird die Klappe geöffnet, die erste Reihe von Kämpfern wird von Maschinengewehrsalven niedergemäht und die restlichen stürzen in die Fluten des Meeres. Ein Feuerhagel, unbeschreiblicher Lärm, plötzliche Stille in dem Chaos, da einer der Soldaten fast komplett taub ist durch dieses Maschinengewehrgewitter; und dann sehen wir den Krieg in all seinen Schrecken: Weiterlesen

Die besten Kriegsfilme der 90er Jahre

Kriegsfilme sind auch eine Form von Epos, im besten Fall eine Art Anti-Epos. Das (Anti)-Präfix wollen wir in diesem Fall jedoch bewusst aussparen, auch wenn es mit der ein oder anderen Einschränkung an jeden der hier genannten Filme angehängt werden könnte. Francis Ford Coppola hat bereits gesagt, dass alle Kriegsfilme in seinen Augen Antikriegsfilme seien. Eine Behauptung die durchaus streitbar ist, erliegen doch selbst die humanistischsten, offensivsten und naturalistischsten Werke allzu oft der Faszination des Krieges, dem Eskapismus der Schlachten dem apokalyptischen Ästhetizismus der Gewalt. Das gilt für „Apocalypse Now“ ebenso wie für „Platoon“ oder „Full Metal Jacket“. Die hier genannten (Anti-)Kriegsfilme sind jedoch unabhängig davon, wieviel Stilisierung in ihnen steckt, beeindruckende Bebilderungen der kriegerischen Seele des Menschen, radikale Erzählungen von der Front und dabei einfach so verdammt gut, dass sich die Frage nach Kriegsfilm, Antikriegsfilm oder gar Kriegsapologie gar nicht zu stellen braucht.

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Die besten Mafiafilme der 90er Jahre

Exklusives Subgenre auf mehreren Ebenen: Mafiafilme bewegen sich oft zwischen großem Epos, spannendem Thriller, komplexem menschlichen Drama und machen im besten Fall in all diesen Ligen eine hervorragende Figur. In den 90ern reichte es dann tatsächlich auch für so viel Gutes, dass sie einen eigenen Artikel verdienen. Wer „Miller’s Crossing“ und „Carlito’s way“ vermisst, die gibt es hier. Fragt nicht nach Konsistenz…

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Die besten Epen und Historienfilme der 90er Jahre

Wie schon im letzten Jahrzehnt sind die Epen als Filmgenre schwer zu greifen: Groß, bombastisch, pompös, meist historisch, oft bilderverliebt und grundsätzlich immer mit gigantomanischem und universellen Anspruch. Manchmal eskapistisch, manchmal aber auch düster und realistisch, manchmal sogar introspektiv… Aber irgendwie immer ein bisschen größer (und oft genug länger) als das, was es sonst im Kino zu sehen gibt. Here they come…

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Die besten Western der 90er Jahre

Während wir im letzten Jahrzehnt die Western einfach dreist zu den Epen geklatscht haben, spendieren wir dieser Urform des amerikanischen Kinos hiermit einen eigenen Artikel. Traditionell wird es dennoch nur in den wenigsten Fällen zugehen. Stattdessen gibt es Revisionistisches, Verzerrtes, Parodiertes, Dekonstruiertes und in die Mangel Genommenes. Frei nach dem Motto: Die besten Western sind immer noch die, die keine sein wollen.

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Die besten Filme des Jahres 2017: Dunkirk von Christopher Nolan

Das so genannte Wunder von Dünkirchen gehört zu den ersten großen optimistischen Narrationen der Briten im Zweiten Weltkrieg. Unter großer Anstrengung wurden nach dem erfolgreichen Westfeldzug Deutschlands bei der Operation Dynamo im Frühsommer 1940 fast 400.000 britische Soldaten von der französischen Küste nach England evakuiert. Was bei den zurückgelassenen kontinentaleuropäischen Alliierten zur Depression und Kriegsmüdigkeit führte, wurde auf der Insel beinahe wie ein erster großer Sieg gegenüber den Nationalsozialisten gefeiert, war es durch die Evakuierung Churchill doch gelungen, eine beachtliche Anzahl an Soldaten vor dem Tod oder der Gefangenschaft zu retten und zugleich die Hoffnung auf eine erfolgreiche Verteidigung Großbritanniens am Leben zu halten. In seinem Film Dunkirk nimmt sich Christopher Nolan der Geschichte rund um das Wunder von Dünkirchen an und erschafft damit eine sonderbare Mischung aus Antikriegsfilm, Heldenepos und bewusst antiepischer Erzählung, die in ihrer dramaturgischen und narrativen Ambivalenz beweist, dass auch in dem Genre des (Anti-)Kriegsfilms Innovation und Einzigartigkeit möglich sind.

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Carrie Light – Rezension zum skandinavischen Mysterydrama „Thelma“

Im Zuge des Twilight- und Hunger-Games-Booms hat sich schon seit einigen Jahren das Genre des partiell romantischen, partiell mystischen, partiell actiongeladenen Teenie-Fantasy-Schinkens entwickelt. Besonders das Mystery-Element wurde in – letzten Endes ziemlich formelhaften – Epigonen wie Maze Runner oder Divergent in den Vordergrund inszeniert. Neben den großen Blockbustern hat sich aber teilweise in der Nische, teilweise überraschend erfolgreich eine ganz eigene Interpretation der Verbindung von Teenager-Weltschmerz und Fantasy entwickelt: Bissiger, kritischer und experimenteller als die großen Mainstreamproduktionen konnten so kleine Perlen des Genrekinos wie das düstere Vampirmärchen Let the right one in oder der französische Coming-of-Age/Kannibalismus-Bastard Raw entstehen, die sich bewusst der simplen Konsumierbarkeit der epischen Teenieschmonzetten entziehen und stattdessen ambivalent, bizarr und hermetisch daherkommen. In genau diese Ecke fällt auch das skandinavische Mysterydrama Thelma von Joachim Trier, das deutlich braver als die oben genannten Meisterwerke inszeniert ist, sich mit sublimen Tönen und einer ambigen Geschichte deutlich von den US-Genrebeiträgen abhebt.

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Ballettdrama/ Psychothriller/ Bodyhorror – „Black Swan“ von Darren Aronofsky

Verdammt noch eins! Ich war mir sicher, ich würde diesen Film lieben oder hassen. Ich war mir sicher ein Mittelding wäre nicht drin. Immerhin hat es Aronofsky schon immer geschafft mit seinen Filmen recht gut zu polarisieren. Da war „Requiem for a Dream“, für viele zu pathetisch, zu aufgesetzt in seinem düsteren Weltbild, für andere eine Offenbarung des Composite Film Genres. Da war „The Fountain“, für viele billiger, abgehobener Science Fiction Esoterik-Kitsch, für manche die postpostmoderne Antwort auf „2001 – Odyssee im Weltraum“ und ein Science Fiction Klassiker für das neue Jahrtausend. Okay… „The Wrestler“ hat allgemein positives Feedback erhalten, aber nach all den Ankündigungen, Trailern und Vorab-Kritiken musste eigentlich klar sein, dass Black Swan wieder so ein „Love it or hate it!“ Ding wird. Weit gefehlt. Ich bin voll in der „So la la“-Falle gelandet und stehe mit meiner Meinung auch offensichtlich nicht alleine da.

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Rezension zu Professor Marston and the Wonder Women

Der Versuch DCs ein Cinematic Universe – ähnlich den Marvel-Filmen – aufzubauen, ist bisher weder bei Kritikern noch bei Zuschauern auf besonders viel Gegenliebe gestoßen. Eine Ausnahme bildete die 2017er Verfilmung des Wonder Woman Stoffes, die für manche Kritiker gar zu den besten Superheld*innen-Verfilmungen des Jahres gehörte und obendrein von manchen gar als erste wirklich feministische Comicverfilmung betrachtet wurde. Damit scheint ein Film über die Ursprünge der Figur genau zur richtigen Zeit zu kommen, insbesondere wenn sich diese nicht nur um den Mythos rund um die Entstehung der berühmten Heldin kümmert sondern zudem Parallelen zwischen dem progressiven Leben ihres Schöpfers sowie der beiden Hauptinspirationsquellen der starken Figur und den Bildern der Comic-Franchise zieht. Insbesondere unter dem griffigen Label: Ein Film über die Frauen hinter dem Mann hinter der Frau…

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Die besten Liebesfilme der 90er Jahre I

Wow! Die 90er waren ein mehr als sattes Jahrzehnt für gute Liebesfilme. Und dementsprechend bekommen sie hier, wie schon die Horrorfilme, gleich zwei Artikel spendiert. Diese Überfülle an hervorragenden Liebesfilmen – insbesondere aus den USA – lag vor allem daran, dass das romantische Kino in den 90ern nicht nur ein- oder zwei- sondern gleich mehrspurig fahren durfte: Romcom und Screwball erlebten eine unerwartete Renaissance, Hollywood durfte sich und das Massenpublikum mit epischen Schnulzen erfreuen, Independentregisseure entdeckten plötzlich die Möglichkeiten des romantischen Kinos, und ganz nebenbei erblickten noch ein paar schwarze, düstere und abwegige Liebesreigen das Licht der Welt. Die besten Liebesfilme der 90er: Wir haben sie geschaut, gesammelt und liefern auch hiermit die erste Portion feinstes Romantikkino…

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Die besten Filmdramen 2017: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

In den USA sind spätestens seit dem Wahlkampf Donald Trumps im Jahre 2016 alle Augen auf das so genannte Heartland gerichtet: Mal mit Verachtung, mal mit Spott, oft auch mit Sorge, aber immer öfter auch mit Neugier und sogar Faszination. Was macht es aus, dieses Land mitten im Zentrum des vermeintlich mächtigsten Staates der Welt? Wie ticken die Leute dort? Wie konservativ, wie reaktionär sind sie? Oder lassen sie sich vielleicht gar nicht so einfach einordnen? Wie stark wirken progressive Ideen unter ihnen, wie offen und liberal können sie sein? Und besitzen sie vielleicht sogar einiges, was den Städtern und Küstenbewohnern abgeht?

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Die besten Filme der 2000er Jahre für Musikliebhaber I

Ein kleiner cineastischer Nachschlag für alle Musikliebhaber und Nerds da draußen. Sowohl Fiktionales als auch Dokumentarisches. Aber immer mit der Musik im Zentrum… oder dem Lebensgefühl, das sie vermittelt. Fans und Künstler, Nostalgisches und Hippes. Und weil man so viel über Musik drehen und noch mehr schreiben kann, unmöglich in einen Artikel zu quetschen. Daher in Kürze ein zweiter Teil. Die ersten besten Filme für Musikliebhaber direkt nach einer kurzen WordPress-Bridge…

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Eiskalter Mummenschanz – Rezension zum besten (?) Horrorfilm des Jahres: Hereditary

Selten in den Jahren zuvor waren sich Horrorfilmfreunde und Kritiker derart einig: Noch bevor das Kinojahr zu Ende geht, eigentlich schon bei seinem Erscheinen, wurde Ari Asters Debütfilm Hereditary zum Horrorereignis des Jahres erklärt und auch gleich in die Tradition des in den letzten Jahren vielbeschworenen Genres des Post-Horror eingeordnet: Ein Logenplatz direkt neben – doch so unterschiedlichen – Werken wie The Vvitch, Get out und It follows, das nächste Meisterwerk, das dem Genre die notwendigen Innovationen verleiht und Horror zu so viel mehr macht, als das Genre in den Jahren davor war. Um mal gleich so viel vorweg zu nehmen: Ja, irgendwie ist es schon okayisch bei all diesen Filmen von Post Horror zu sprechen… und ja, irgendwie gehört Hereditary da auch rein, insbesondere Dank seiner Ähnlichkeit zum 2015er Meisterwerk The Vvitch… Und ja, für einen Debütfilm ist dieser kleine Genrebastard auch wirklich beeindruckend. Zum absoluten Meisterwerk – geschweige denn zum besten Horrorfilm des Jahres – taugt er aber dann doch nicht. Allein schon, weil er ein gutes Stück vor seinem Ende vollends in sich zusammenfällt und einen Genrehopser macht, der so manchen Horrorfan ratlos zurücklassen dürfte.

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Die besten Dramen der 2000er Jahre I

Die besten Dramen des Jahrzehnts? Aha! Höhnisch könnte man jetzt sagen: „Der ganze Rest also!“ Und genau genommen stimmt das auch ein bisschen. Viele Filme unserer bisherigen 00er-Rückblicke könnte man problemlos auch hier einordnen. Ein gelungenes Drama hat es eben auch an sich, dass es schwer zu kategorisieren ist: Mit lustigen Elementen, ohne gleich eine ausgewachsene Komödie zu sein, spannend ohne den Thrillfaktor zu sehr in den Vordergrund zu stellen, komplex, ohne den Bezug zur Wirklichkeit zu verlieren und ins Surreale abzudriften… Sagen wir es einfach so: Hier versammelt sich das klassische und progressive Erzählkino: Filme die Emotionen wecken, die begeistern, die faszinieren und die mitleiden und mitfreuen lassen… okay, der ganze Rest eben. Und da dieser unmöglich in einen einzigen Artikel passt, folgt demnächt auch ein kleiner Nachschlag.

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Die besten Theateradaptionen und verfilmten Bühnenstücke der 2000er Jahre

Theater und Kino… zwei Medien, die allzu oft in einen Antagonismus gerückt werden, in dem sie sich nicht befinden müssen. Das Theater kann einiges vom Film lernen (und viele zeitgenössische, progressive Regisseure machen davon auch Gebrauch), genau so wie das Kino viel von der Bühne lernen kann. Zudem liefert die Theaterwelt schlicht und ergreifend eine unüberschaubare Menge hervorragender dramtischer Vorlagen, die durch die technischen Möglichkeiten des Films ganz neue Seiten offenbaren können. Es folgen die Filme der letzten Dekade, die diese Möglichkeiten am besten ausgeschöpft haben. Gelungene, präzise Bühnenadaptionen, Filme die sich ästhetisch am Theater orientieren oder einfach mit den begrenzten Möglichkeiten der Bühne auseinandersetzen. Anspruchsvolle Kammerspiele ebenso wie opulente Musicals. Postmoderne Avantgardewerke ebenso wie reanimierte Klassiker. Bühne frei! Direkt nach dem Klick…

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Die besten surrealen Filme und die besten Mystery Filme der 2000er Jahre

Im Zuge des „The sixth Sense“-Erfolges 1999 erlebte das US-Mystery-Kino zu Beginn des neuen Jahrtausends eine wahre Blütezeit. Zahllose Filme schossen aus dem Boden, meistens mit sich allzu sehr ähnelnder Struktur: Seltsame, irreal erscheinende Ereignisse, eine dunkle diffuse Atmosphäre und schließlich gegen Ende ein vermeintlicher Mindfuck, der die mysteriösen Ereignisse aufklärte. Das Genrekino rieb sich mehr und mehr selbst an seinen abgedroschenen Strukturen auf und statt wirklich interessanter Variationen bekam man zu guter Letzt immer das Gleiche zu sehen (Wodurch schon bei Beginn des x-ten Mysterystreifens eigentlich nur noch die Frage im Raum stand: „Gibt es eine psychologische Erklärung oder eine durch übersinnliche, übernatürliche Phänomene?“) Gott sei Dank gab es auch erwähnenswerte Ausnahmen; und diese bewegten sich fast vollständig abseits dieser vielbetretenen Pfade: Filme die verschrobener waren, mysteriöser, merkwürdiger, diffuser und vor allem surrealer…

Und damit wäre auch schon der Link zum zweiten wesentlichen Genre gesetzt, das in diesem Artikel Erwähnung findet: Dem surrealen Kino. Weiterlesen

Die besten Episodenfilme und Composite Films der 2000er Jahre

Wir haben auf unserem Weg durch die Kinodekade klar abgegrenzte Genres wie Tragikomödien, Erotikfilme, Thriller und Horrorfilme hinter uns gebracht, aber auch mit  diffusen Kategorisierungen wie Tarantinoeske Filme gearbeitet. Jetzt wirds wieder ein wenig knifflig. Die Genrekategorisierung „Episodenfilm“ ist hinreichend bekannt, scheint jedoch ein allzu enges Korsett für so manches cineastisches Werk zu sein. Der klassische Episodenfilm nämlich – wie zum Beispiel Intolerance von D.W. Griffith (1916) – besteht aus in sich geschlossenen Episoden, die durch ein alles verbindendes Thema zusammen gehalten werden. Nun ist aber gerade das postmoderne Kino, was Episodenkonstellationen betrifft, gerne verspielt und alles andere als stringent. Durchgesetzt haben sich hier episodische Prinzipien, die keine kleinen abgeschlosssenen Teilhandlungen erzählen, sondern diese ineinander verzahnen, parallelisieren,  darin wild umher springen oder gar klassische Chronologien komplett aufbrechen. Als Wegfeiler seien nur Robert Altmans Short Cuts von 1993 und Quentin Tarantinos Pulp Fiction von 1994 genannt und es wird offensichtlich, wie unterschiedlich sich Kurzgeschichten jeweils in einem Film anordnen lassen.

Die englische Sprache bietet hierfür den Begriff des „Composite Films“ an, der Filme bezeichnet die trotz ihrer Episodenhaftigkeit dicht gewebt sind, und aus deren einzelnen kleinen Plots sich komplexe Gesamtstrukturen bilden. Die deutsche Filmkritik und Theorie arbeitet hier noch öfter etwas ungelenk mit Begriffen wie Ensemble Drama, Sittengemälde oder verzichtet gleich vollkommen auf eine eindeutige Kategorisierung. Wir wollen an der Stelle mit den beiden Begriffen Composite Film und Episodenfilm arbeiten, denn bei den besten Filmen der Dekade finden sich sowohl klar strukturierte, aus einzelnen voneinander getrennten Segmenten bestehende Werke als auch eng ineinander verzahnte Filmkompositionen. Mitunter parallel erzählt (im 2000er Drama Timecode sogar zeitgleich im echtzeitlichsten Sinne des Wortes), mitunter in durchgeschüttelter Chronologie, mitunter scheinbar ohne klare Linie. Und damit wollen wir die Theorie auch Theorie sein lassen. Es folgen die besten vielschichtigen, mehrstimmigen, zusammengesetzten , fragmentierten, komponierten und arrangierten Werke des Jahrzehnts… wie immer nach dem Klick.

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Die besten Epen der 2000er Jahre

Ein Genre, dessen filmische Einordnung äußerst schwierig ist, dessen Definitionsmöglichkeiten vielseitig und ambivalent sind… Traditionell ist ein Epos eine Versschöpfung, eine lyrische Erzählung im Stile der Ilias oder des Nibelungenliedes. Jedoch hat sich die Definition des Genres im Laufe der Zeit, der Geschichte der Medien gewandelt und erweitert. So definierte der Philosoph und Literaturkritiker Georg Lukacs das Epos als „die Gestaltung einer geschlossenen Lebenstotalität“, die sich von der privaten Sicht eines Romanes abgrenze. Die vorwiegend historischen und zugleich  universellen Topoi epischer Werke wurden besonders im klassischen Monumentalfilm der 50er Jahre vielfach bearbeitet (Ben Hur, Die zehn Gebote). Filmkritikguru Roger Ebert machte die Definition des epischen Kinos schließlich an seiner visionären Kraft fest (um im selben Atemzug ordentlich über Pearl Harbour zu lästern). Aber genug des Vorgeplänkels: Wir verstehen hier unter epischem Kino große, ausladende Filme: Sittengemälde, historische und aktuelle Panoramen, monumentale Gemälde, universelle Visionen und Gedanken und natürlich alles was irgendwie in diesen großen Rahmen, in diese schwammige Bezeichnung miteingeschlossen werden kann (Darin fallen übrigens auch einige bei den Fantasyfilmen, Tragikomödien oder Thrillern erwähnte Titel, die hier allerdings kein zweites Mal aufgeführt werden). Also dann die Besten des Jahrzehnts, wie immer mit kurzer Beschreibung und audiovisuellem Anschauungsmaterial unmittelbar nach dem Break.

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Die besten Tragikomödien der 2000er Jahre I

Falls die Genre- und Gattungspräferenzen der 00er Retrospektiven noch unklar waren, sollten sie so langsam Kontur gewinnen. Nach der äußerst dünnen Action– und Komödienausbeute bekommen die tragikomischen Filme, die Dramödien und Tragikomödien mit einem lachenden und weinenden Auge gleich zwei Artikel spendiert. Vieles  Gutes hat uns aus diesem Genre im vergangenen Jahrzehnt erreicht, sowohl aus den USA als auch vom Rest der Welt. Man durfte lachen, man durfte weinen, man durfte hervorragende Filme genießen. Die ersten mal bitter mal komischen Werke folgen auf den Fuß. Teil 2 wird so schnell wie möglich nachgereicht.

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Die besten Liebesfilme der 2000er Jahre

Nachdem hier vor kurzem die cineastische Erotik und Sexualität des letzten Jahrzehnts kanonisiert wurde, steht in diesem Artikel deren kleiner Bruder (oder große Schwester) im Mittelpunkt. Liebesfilme gab es viele in diesem Jahrzehnt. Und Gott sei Dank neben den aufgewärmten Tom Hanks und Meg Ryan Beziehungskisten auch Filme, die abseits abgedroschener Kitsch und Schnulz-Pfade zu begeistern wussten. Dabei war vor allem Europa (und insbesondere Frankreich) bei den schönsten Romanzen ganz vorne mit dabei. Dort zeigt sich ein positiver Trend, die Themen Liebe und Romantik nicht in banale Comedy-Form zu verpacken (Das Genre der „Romantischen Komödie“ hat so einige Leichen im Keller) sondern diese zum natürlichen Mittelpunkt der jeweiligen Filme zu machen. Aber auch das US-Independentkino hatte in den 00ern einige schmackhafte Romanzen im Gepäck. Hier nun also unsere Top 12 der besten Liebesfilme des vergangenen cineastischen Jahrzehnts…

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Die besten Erotikfilme der 2000er Jahre

Vom Spaß an der Überwindung der Wirklichkeit in den besten Fantasyfilmen des Jahrzehnts, über das blanke Grauen der besten Horrorfilme zum puren Genuss des erotischen Kinos. Gerade der erotische Film war schon immer eine ambivalente Geschichte: Einerseits ist der Fokus klar: Erotik, Sex, nackte Haut… Andererseits wünscht man sich als Zuschauer dennoch einen interessanten, fesselnden, auch unabhängig von seinen Schauwerten funktionierenden Film zu sehen. Denn ähnlich wie bei Actionfilmen steht auch bei diesem Genre das Sujet derart im Mittelpunkt, dass die Narration oft ins Hintertreffen gerät und der Cineast unbefriedigt zurück bleibt. Aber es gibt sie: Die guten Filme des erotischen Kinos, Filme die mehr sind als Masturbationsvorlagen und mit interessanten Perspektiven auf die menschliche Sexualität zu begeistern wissen. Aber auch Filme die dennoch erotisieren und erregen können und ihr Sujet nicht verschämt und verklemmt verbergen müssen. Hier haben wir die größten Werke dieses Genres von 2000 – 2009 zusammengestellt.

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Die besten Filme des Jahres 2017: Lady Bird von Greta Gerwig

Ganz schön lange hat es gedauert, bis Greta Gerwigs Ladybird seinen Weg in die deutschen Kinos fand. In den USA bereits im Frühherbst 2017 angelaufen brauchte es dann doch mehrere Golden Globe Awards sowie Oscar-Nominierungen, bis der Film auch einem Publikum hierzulande präsentiert werden konnte. In der Tat ist Lady Bird dann auch einer jenen Indie-Filme, bei denen man sich durchaus vorstellen konnte, dass sie ohne den Awardsegen vom deutschen Verleih komplett ignoriert worden wäre, hebt er sich mit seinen sehr amerikanischen Themen, seiner ambivalenten, subtilen Dramaturgie und episodischen Narration doch deutlich von den großen Blockbusterdramen ab, die auch beim deutschen Publikum Anklang finden. Gott sei Dank ist es anders gekommen, und so dürfen wir uns seit April im Kino und seit August auf DVD und Blu-Ray nun auch hier über einen Film freuen, der zwar stark die amerikanische Jugend und US-Mentalität ganz allgemein seziert, dabei aber auch immer wieder den Weg zurück zu universellen gesellschaftlichen Themen findet.

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Rezension zu Noah Baumbachs 2005er Drama "Der Tintenfisch und der Wal"

Einen Film über Familienprobleme und Scheidung zu drehen, dürfte wohl mit zu den schwierigsten Aufgaben überhaupt gehören. Immerhin muss der zuständige Regisseur den schmalen Grad zwischen Spannung und Realismus, zwischen Alltag und Tragik beherrschen, ohne dabei in Kitsch oder Beliebigkeit abzurutschen. Und dann gibt es natürlich noch das Problem mit dem Referenzwerk: Was damals bei „Kramer gegen Kramer“ für Aufsehen sorgte, ist mittlerweile nicht nur überholt, sondern gar als abgedroschen definiert, umso schlimmer, da sich Filme zu dem Thema nach wie vor an dem 80er Drama messen müssen. Eine Hürde, an der schon viele große Regisseure gescheitert sind. Noah Baumbachs „Der Tintenfisch und der Wal“ gelingt es, diese Probleme zu meistern, obwohl oder gerade weil er in seiner teils drastischen, teils lakonischen Darstellung sich erheblich von dem Referenzwerk unterscheidet, und auf seine ganz eigene Art zu den anrührendsten Dramen der 00er Jahre gehört. „Der Tintenfisch und der Wal“ ist eine bitterböse, süße Tragikomödie, die sich nicht nur mit „Kramer gegen Kramer“ messen kann, sondern diesen in einigen Punkten sogar problemlos überflügelt.

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Die besten Filme 2017: Der Mysterythriller Personal Shopper

Es ist, wie es ist: Wenn du als Schauspieler oder Schauspielerin im falschen Kontext berühmt wirst, hast du es verdammt schwer, dich von diesem zu befreien. Letztes Opfer dieser brutalen Hollywoodweisheit war Kristen Stewart, die durch die Twilight-Saga all die Popularität erlangte, die man als Schauspieler – dem das Fach am Herzen liegt – nun wirklich nicht erlangen will. Fortan war sie verschrien als schauspielunfähige Damsel in Distress, die nicht zu viel mehr in der Lage ist als zu starren, auf ihre Lippen zu beißen und hin und wieder zu blinzeln. Dabei hat sie es versucht… oh ja, … und wie sie es versucht hat. Spielte in Folge des Twilight-Erfolges in vielen kleinen Indie-Filmen mit, hatte keine Scham davor, abgefuckt, wild und auch mal im komplettesten Sinne des Wortes nackt zu sein. Nur gebracht hat es ihr lange nichts. Anstatt, wie sie es gottverdammt nochmal verdient hätte, als spannendste Schauspielerin ihrer Generation gefeiert zu werden, musste sie stattdessen für allerlei dumme Memes herhalten oder in „Worst Performance“-Hitlisten auftauchen. Jetzt mal ehrlich, das ist doch scheiße: Kristen Stewart ist nämlich eine großartige Schauspielerin, ich wage es sogar, mich so weit aus dem Fenster zu lehnen und zu sagen, vielleicht die beste Schauspielerin ihrer Altersklasse derzeit; mindestens aber in den Top 10. Sie beherrscht das Spiel mit ihrer inneren Spannung, wie kaum eine zweite; und wer ihr dabei Underacting vorwirft, versteht einfach nicht, wie viel Talent es braucht, nicht zu spielen und dennoch alles zu verkörpern, was die Rolle benötigt. Langsam, ganz allmählich, scheint bei Cineasten durchzusickern, dass Frau Stewart verdammt viel auf dem Kasten hat; und langsam, ganz allmählich, erhält sie in Filmkreisen die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Es ist aber noch ein langer, viel zu langer Weg. Next Step: Personal Shopper (2016) von Cannes-Liebling Olivier Assayas. Und der sollte gleich mal ein paar Dankeszeilen an Kristen aufsetzen. Denn ohne sie wäre dieser Film doch ziemlich aufgeschmissen.

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Die andere Seite der Hoffnung (2017) von Aki Kaurismäki – Die Utopie am Rande

Der finnische Regisseur Aki Kaurismäki gehört zu den letzten großen sozialen Romantikern und Utopisten des europäischen Kinos. Seit den 90ern setzt er sich in seinen Filmen mit Randgruppen und Randfiguren der Gesellschaft auseinander, rückt diese ins Licht der Kamera und lässt all ihre Hoffnungen und Träume sichtbar werden. Dabei präsentiert er den sozialen Rand nicht als düsteres Moloch, in dem der Mensch des Menschen Wolf ist, sondern als utopischen Raum, in dem unterschiedliche Menschen zusammenfinden, sich miteinander solidarisieren und eine Gesellschaftsordnung neben der bestehenden Ordnung schaffen, die diese in vielerlei Hinsicht, vor allem aber aus humanistischer Perspektive, überfügelt. Dass seine Filme dabei eine gewisse Repetition aufweisen? Geschenkt. So lange Meisterwerke wie Der Mann ohne Vergangenheit oder zuletzt Le Havre dabei herauskommen, kann man gut und gerne darüber hinwegsehen. In letzterem hatte er sich schon zu Beginn des Jahrzehnts mit der Flüchtlingsthematik auseinandergesetzt, zu einer Zeit als das Thema bei weitem noch nicht so sehr im Fokus des öffentlichen Diskurses stand wie heute. Insofern macht es Sinn, dass er sich in seinem jüngsten Film – Die andere Seite der Hoffnung (2017) – noch einmal dezidiert mit des selben Themas annimmt; wieder am Rand der Gesellschaft, wieder mit trockenem Humor, wieder mit einer Kombination aus Romantik und Augenzwinkern. Kann die Kaurismäki’sche Formel auch noch 2017 im Angesicht von Flüchtlingskrisen, erstarkendem Rechtspopulismus und gesellschaftlicher Spaltung funktionieren?

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Die besten Filme 2016: I am not a serial killer – Und der ewige Kampf Böse gegen Böse

2016 war ein gutes Jahr für die Verknüpfung von Horror und Young Adult Drama. Unter anderem mit dem folkloristischen Antimärchen The Witch, Nicolas Winding Refns Neon Demon und dem Kannibalismus-Flick Raw gab es gleich mehrere Filme, die die Tragik junger Erwachsener (oder erwachsener Jugendlicher) mit klassischen Horrormotiven und absurden Mysterysettings kreuzten. So angesehen diese Filme bei der Kritik und dem Genrepublikum auch waren, abgesehen von The Vvitch, der ungefähr das zehnfache seines Budgets einspielte, war keiner dieser Filme an den Kinokassen sonderlich erfolgreich. Selbst in Zeiten des Stranger Things Erfolgs ist die Kombination Coming of Age und Horror eben doch eine riskante, insbesondere wenn sie sich im Gegensatz zum Netflix-Hit trotz junger Protagonistinnen kein junges Publikum zum Ziel gewählt hat, sondern mit extremer Gewaltdarstellung und düsteren Motiven bewusst ein Erwachsenes Publikum anspricht. In diese Nische fällt auch Billy O’Briens I Am Not a Serial Killer (2016), die Verfilmung des gleichnamigen Romans aus dem Jahr 2009, der selbst im Vergleich zu den anderen Werken nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat. Dabei ist es vielleicht gerade er, dem die Erzählung des Alptraums Pubertät hinter einer gnadenlosen Horrorfassade am besten gelingt.

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Die besten Filme 2016: Nocturnal Animals

Okay, gleich mal eine Art Offenlegung: Ich musste Tom Ford googlen. Bei Nocturnal Animals (2016) handelt es sich zwar um den erst zweiten Film des Regisseurs nach A single man (2009), außerhalb des Kinouniversums ist er allerdings alles andere als unbekannt. Tom Ford ist Modedesigner, und allem Anschein nach ein verdammt erfolgreicher Modedesigner: Chefdesigner bei Gucci, Privatperson mit dem größten Gucci-Aktienanteil, Prêt-à-porter-Designer bei SYL und schließlich – nachdem er Gucci 2004 verlassen hatte – Gründer seines eigenen Modelabels, dass er ganz bescheiden Tom Ford International, LLC nennt. Der Mann hat offensichtlich ein Gespür für Mode und Modevermarktung und das sieht man auch seiner Verfilmung des Romans Tony & Susan (1993) an. Bleibt die Frage, ob der Film mehr zu bieten hat als die Schauwerte eines Fashion-Experten.

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Die besten Filme 2015 – The Lobster von Giorgos Lanthimos

Während im Tierreich die Fertilität üblicherweise mit dem Alter sinkt, stellen Hummer eine Ausnahme dar. Sie werden nicht nur fruchtbarer sondern auch stärker mit jedem weiteren Lebensjahr. Das liegt daran, dass sie in der Lage sind, ihre Zellen nahezu unbegrenzt zu erneuern. Wo die Zellen von anderen Tieren mit der Zeit sterben, nutzen Hummer ihre Telomerase, um permanent jung und frisch zu bleiben. Hinzu kommt, dass diese Tiere bis zu hundert Jahre alt werden können. Und dabei sowohl stark als auch sexuell aktiv bleiben. Das ist dann auch der Hauptgrund, warum sich David (Colin Farrell) dazu entscheidet, in dieses Tier verwandelt zu werden, sollte er bei seiner Partnersuche scheitern. Denn genau das ist das wesentliche Merkmal der Gesellschaft, in der David lebt: Du darfst kein Single sein, du musst einen Partner haben. Wenn du keinen Partner hast, musst du innerhalb von 45 Tagen einen finden. Wenn dir das nicht gelingt, wirst du in ein Tier deiner Wahl verwandelt. Um die Partnersuche zu erleichtern, werden alle Singles in ein Hotel am Strand verfrachtet, wo sie sich bei skurrilen Veranstaltungen bemühen, ein passendes Gegenüber zu finden. Um ihre Zeit bis zur tierischen Transformation zu verlängern, können die Hotelgäste zusätzliche Tage bei der Jagd gewinnen: Ein Tag pro gefangenem Loner (Stolze Langzeitsingles, die auf der Flucht vor der Obrigkeit in den Wäldern vor dem Hotel leben). Dem schüchternen und in sich zurückgezogenen David fällt die Partnersuche schwer und er sieht seine Zeit davon rinnen. Die letzte Hoffnung scheint in der Anbandelung mit der „Woman with no heart“ (Angeliki Papoulia) zu liegen. Eine Entscheidung, die Davids Leben radikal verändern wird…

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Die besten Filme 2016: Neon Demon von Nicolas Winding Refn

Lieber Herr Refn,
Sie wie ich haben wahrscheinlich gerade ein Deja Vu. Richtig, es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich Ihnen bereits einen Brief geschrieben. Der Anlass war damals Ihr neuester Film Only God forgives, der mir gelinde gesagt ein wenig zu sehr die Kunst über den Menschen stellte. Und als Setting für dessen Nachfolger suchen Sie sich jetzt ausgerechnet die Modeszene aus? Sie machen es einem aber auch wirklich nicht einfach. Schon wieder ein eiskaltes, unmenschliches Szenario? Und jetzt auch noch glitzernd oberflächlich? Als ob sie nicht genug an ihrer eigenen surrealistischen, symbolistischen Oberflächlichkeit zu arbeiten hätten? Und was soll dann noch zusätzlich dieses prätentiöse NWR, das als Kürzel ihres Namens diesen Film ziert? Als wollten sie ein Gemälde signieren? Geht es denn überhaupt noch selbstverliebter, artifizieller? Ja, Sie machen es einem wirklich nicht leicht, und Sie brauchen sich auch – ganz ehrlich gesagt – nicht zu wundern, wenn man mit gewissen Vorbehalten an ihren aktuellen Film herangeht. Allein dieser Titel: Neon Demon (2016), das ist mal wieder groß, gewaltig, spirituell überspitzt. Aber wissen Sie was, Sie und ihr Werk sind einfach zu faszinierend, als dass ich die Flinte einfach ins Korn werfen würde. Ich will versuchen so vorurteilsfrei wie möglich das neue NWR-Kunstwerk zu genießen. Vielleicht gibt es doch mehr zu holen als ein bloßes „Schon wieder?“.

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Frank (2014) – Eine Ode an die experimentelle Musik

Die Bühne ist ebenso düster wie die ersten musikalischen Töne, die auf ihr erklingen. Wir sehen vier Gestalten versteckt hinter einer grotesken Maskierung: Schwarze, enge Masken, die über das ganze Gesicht gezogen sind, riesige Pupillen, die den gesamten Kopf verdecken… ebenso grotesk wie die Maskierung sind die Bewegungen ihrer Träger; irgendwie hypnotisierend, irgendwie abstoßend… ebenso grotesk wie die Bewegungen ist auch die Musik, die sich während dieser Performance entwickelt: Experimentell, avantgardistisch, schwer verdaulich, wie ein Monolith aus Genialität und Kakophonie. Die Experimentalband The Residents zum ersten Mal zu sehen, ist – wie man es auch deutet – ein Ereignis. Vielleicht eines der positiven, vielleicht eines der negativen Sorte, aber auf jeden Fall ein Ereignis, das man nicht so schnell vergisst. Und so ist es mit vielen Experimentalbands, denen ihr Auftreten und ihre Performance ebenso wichtig sind wie ihre Musik. Sie erschaffen besondere Erlebnisse, treffen in die Nische zwischen hoher Kunst und Dilettantismus und sind als Schöpfer immer gleichrangig mit ihrer Schöpfung. Die britische Indie Tragikomödie Frank (2014) von Lenny Abrahamson ist eine tiefe Verbeugung vor dieser Art von Band: Vor ihrem Schaffen, vor ihrer Kunst, vor ihrer Außenwirkung, aber auch vor ihren Macken, vor ihrem Narzissmus und ihrem vielfältigen Scheitern.

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Rezension zu True Story (2015)

Die literarische Reportage ist Fluch und Segen des Journalismus unserer Zeit: Gelingt sie, ist sie eine großartige Verbindung von Faktenbasiertem, Dokumentarischen auf der einen und großem, emotionalen Storytelling auf der anderen Seite, misslingt sie, wird sie zum puren Erzählkitsch ohne Bezug zum journalistischen Auftrag. Und dann gibt es natürlich noch die dritte Ebene, in der die literarische Reportage nicht einfach misslingt, sondern gezielt als Betrug am Leser eingesetzt wird. So auch im Falle Michael Finkel, der 2002 seinen Job bei der New York Times wegen einer teilweise erdichteten Geschichte über Sklaverei im heutigen Afrika verlor. Die Geschichte geht aber noch ein bisschen weiter und rund um Finkel entwickelte sich eines der spannendsten Krimidramen des US New Journalism seit Truman Capotes Recherchen zu Kaltblütig (1965). Der Film True Story (2015) von Rupert Goold, der auf Finkels aus dieser Geschichte entstandenem Roman basiert, versucht die damaligen Ereignisse nachzuzeichnen.

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