Horrorfilme der 80er Jahre: Was sonst noch so geschah…

Okay… ähnlich wie bei den Fantasyfilmen der 80er Jahre fühle ich mich geradezu dazu verpflichtet, diesen Artikel nachzuschieben, allein um darauf aufmerksam zu machen, was im 80er Jahre Horrorkino tatsächlich geschah und was dabei alles schief gelaufen ist. Immerhin habe ich stolze sechs Artikel zu den besten Filmen des Genres zusammengestellt und dadurch könnte doch der Eindruck entstanden sein, dass die 80er ein glorreiches Jahrzehnt für cineastischen Schrecken waren. Nope. Die große Anzahl der Best-Of-Artikel rührt primär daher, dass ich einfach mal Genre-Fan bin, Horrorfilme seit jeher liebe und entsprechend in großem Maße konsumiere. Und rein quantitativ müssten die 80er dann auch folgerichtig vollkommen mein Jahrzehnt sein. In wohl keiner anderen Dekade erblickten so viele Schocker, das Licht der Welt, in keinem anderen Jahrzehnt wurde so viel gemordet, gemetztelt und Furcht eingejagt.

Um ehrlich zu sein, der Großteil der dabei enststandenen Filme ist purer Müll, der aus der Hölle der uninspirierten, geldgeilen oder splattergeilen Drehbuchautoren zu stammen scheint. Denn nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ ist der Horrorfilm der 80er Jahre bemerkenswert… leider Gottes mit negativem Vorzeichen. Es ist einiges Fragwürdiges passiert damals, vieles wurde gedreht, was wohl besser nie gedreht worden wäre, und sowohl das Horror- als auch Terrorkino haben in diesem übervollen Jahrzehnt durch mangelhafte Billigproduktionen so etwas wie Rufselbstmord begangen. Mit Meisterwerken wie Shining oder A Nightmare on Elm Street haben wir das Genre lange noch nicht abgedeckt. Es gibt eine Menge zu sehen, eine Menge zu reden über das womöglich obskurste aber auch mitunter peinlichste Jahrzehnt, das der Horrorfilm je erlebt hat.

Tier- und Ökohorror

Fangen wir an mit den Tierhorrorfilmen. Diese erlebten dank Steven Spielbergs Blockbuster Jaws (1975) eine ungemeine Popularität. Beflügelt durch das Aufkommen ökologischer Themen im politischen und gesellschaftlichen Diskurs waren Horrorfilme, die sich der Unberechenbarkeit der Natur – aber auch der verhängnisvollen Rolle des Menschen darin – verschrieben im gesamten Zeitraum von den 70ern bis in die frühen 90er schwer En Vogue. Der weiße Hai brachte es auf stolze vier Fortsetzungen, die aber allesamt zum Abgewöhnen waren. Neben Haien tummelten sich im Meer noch fleischfressende Piranha (1978), die ebenfalls ihre obligatorische Fortsetzung in den frühen 80ern enthielten. Darüber hinaus hielten bedrohliche Affen (Link, der Butler, Monkey Shines), Killerhunde (Cujo), und vor allem Alligatoren und Krokodile die Filmwelt in Atem.

Diese Filme unterscheiden sich von ihren Vorgängern vergangener Jahrzehnte vor allem darin, dass sie weniger auf mutierte, übergroße Monster sondern stattdessen viel mehr auf „klassische“ Tiere setzen, die sich primär durch ihre Intelligenz oder erhöhte Aggressivität auszeichnen. Dadurch wird weniger ein übernatürlicher Horror als viel mehr die Gefahr der unberechenbaren Natur selbst in das Zentrum der Filme gerückt. Die verschiedenen Tierhorror-Filme der 80er Jahre verstanden sich in erster Linie als verquast ökologische Botschaften, die eine außer Rand und Band geratene Natur darstellten, deren Verkörperungen an den Menschen Rache nahmen. Besonders gut werden sie dadurch allerdings nicht. Die meisten Natural Horror Movies der Dekade zeichnen sich durch lächerliche Geschichten, viel Dunkelheit (im wahrsten Sinne des Wortes) und kaum zu sehenden Schrecken aus: Die Krokodile, Piranha und Schlangen, die den Menschen bedrohen, bleiben zumeist in der Dunkelheit verborgen, verschwinden aus dem Fokus der Kamera, um dann fast ausschließlich im großen Showdown ihren vermeintlich großen Auftritt zu haben.

Auch das Rezept dieser Filme ist meistens gleich: Unerklärliche Bedrohung durch ein aus der Art geschlagenes Tier, Tote, Warnungen von einem Umweltschützer/Wissenschaftler, die von Politikern/Lobbyisten/Konzernchefs ignoriert werden, weitere Tote und schließlich der selbstlose Kampf der Umweltschützer/Wissenschaftler gegen die Viecher, die in den meisten Fällen am Schluss der Filme in die Luft gejagt werden. Beachtung verdient dann nur noch die letzte Sequenz, in der frei nach dem „Something has survived“-Prinzip Eier oder Babies der zerstörten Ungetüme gezeigt werden. Formalisiertes, ödes Genre-Kino zum Abgewöhnen. Beispielhaft seien nur die grauenvollen Fortsetzung des weißen Hais, Jaws 3-D und Jaws IV genannt, die derart belanglos das Erfolgskonzept des Vorgängers abspulen, dass es einem dabei Angst und Bange wird. Der Gedanke dahinter wurde natürlich primär von einem fetten Dollarzeichen in den Augen der Produzenten dominiert. Was einmal Erfolg gehabt hatte, musste einfach wieder ein Publikum ins Kino locken. Womit wir auch schon beim nächsten Thema wären.

Mainstreamversuche und Fortsetzungs-Terror

Zumindest partiell stellen die 80er Jahre ein Jahrzehnt dar, in dem verschiedene Studios darum bemüht waren, den Horrorfilm, der in den 70ern durch den Terrorfilm eher ein Nischendasein geführt hatte, für ein breites Publikum zu öffnen. Und so entstanden eine ganze Reihe „braver“ Schocker und Gruselfilme. Dabei verließ man sich gerne auf Mainstream-Bewährtes und so wurden nicht nur zahllose Remakes klassischer Horrorfilme gedreht sondern auch zahllose Genre-Bestseller verfilmt. Insbesondere Stephen King war dabei ein beliebtes Sujet des Filmgeschäfts. In keinem anderen Jahrzehnt wurde dem Master of Horror so ergeben gehuldigt wie in dieser Dekade. Christine, Kinder des Zorns, Feuerteufel, Katzenauge… die Liste mittelmäßiger Verfilmungen von (oft auch mittelmäßigen) Büchern Kings scheint unendlich lang.

Neben dem Rückgriff auf Altbewährtes war es ausgerechnet die Niedlichkeit und Lieblichkeit, die den Horror zurück zum Mainstream-Publikum führen sollten: So setzte Poltergeist auf eine kindliche Hauptdarstellerin, während sich die Critters, Gremlins und Ghoulies im Putzigkeits-Battle versuchten. Über diesen Weg gelang auch der Fun-Factor ins Horrorkino, dessen trauriger Höhepunkt zweifellos Child’s Play (1988) darstellt, der Chucky – Die Mörderpuppe als feste Instanz des mittelmäßigen US-Horrorkinos etablierte. Auffällig bei diesen Adorable Creature Horror Movies ist das vermeintlich dekonstruktivistische Moment, wenn etwas Liebreizendes, Niedliches zur tödlichen Bedrohung werden soll. Dieses Konzept wurde jedoch in so ziemlich jedem dieser Creature Movies zu Gunsten von Slapstick-Momenten aufgegeben. Anstatt oberflächliche Niedlichkeit in Frage zu stellen und deren Schrecken zu entblößen, erreichten die Filme genau das Gegenteil: Der Horror wurde sanft abgefedert und in kids-affine Unterhaltung umgemünzt. Wirklich erschrecken und schocken konnte keiner der Filme, auch wenn das Subgenre mit den Critters und Gremlins allemal unterhaltsame, satirische Creature Horror Flicks abgeworfen hat.

Darüber hinaus waren die 80er Jahre das Jahrzehnt der Fortsetzungen: Jason mordete sich durch zahllose „Freitag der 13.“-Teile, Freddy Krueger bekam ebenfalls zahllose Fortsetzungen spendiert, die zumindest partiell sogar sehenswert sind, Michael Myers durfte sich ebenso von Halloween-Fortsetzung zu Halloween-Fortsetzung metzeln, und selbst Psycho erhielt mehrere miserable Fortsetzungen. Jepp, Fucking Psycho: Nachdem Hollywood das Hitchcock-Meisterwerk von 1960 über 20 Jahre in Ruhe gelassen hatte, kamen die Produzenten zu Beginn der 80er nur drei Jahre nach Alfred Hitchcocks Tod (Leichenfledderei?) tatsächlich auf die verfluchte Idee Psycho II (1983) zu drehen. Selbst Anthony Perkins – der offensichtlich Geldsorgen hatte – beteiligte sich an dem Schund und den zwei weiteren Fortsetzungen, die Hitchcock wohl ordentlich in seinem Grab rotieren ließen. Hollywood zeigte sich hier von der wirklich unoriginellsten Seite: Nicht nur das großartige Horrorfilme durch das Franchising totgedudelt wurden, diese Filme waren auch durch die Bank der größte Mist. Okay, die Nightmare-Fortsetzungen hatten mitunter ihre (geringen) Qualitäten, aber ansonsten zeichnen sich alle diese Mehrteiler durch ödes Abspulen des Standard-Programms aus. Keine frischen Ideen, keine klugen Twists, einfach nur pure Killer-Langeweile.

Slasher und Teenie-Horror

Das selbe gilt dann auch für die zahllosen Machwerke der goldenen Ära des Slasher-Films… Ich kann hier natürlich auch nur von denen berichten, die ich selbst gesehen habe, angestachelt durch den Hype, den Scream sowie seine Fortsetzungen gegen Ende der 90er Jahre entfachten. Und ich muss einfach mal konstatieren: Die waren alle ziemlicher Müll. Prom Night (1980), Muttertag (1980) und Blutiger Valentinstag (1981) sind hierbei wohl die prominentesten Vertreter. Wenn es ein Subgenre gibt, das die Katgorisierung „Öder Formalismus“ verdient, dann das des Slashers und Teenie-Horrors: Teenager geben sich dem Hedonismus hin, werden von anonymem Killer gejagt, subjektive Kamera aus der Sicht des Mörders, der Versuch von Suspense, stattdessen Ergötzen an den Mordtaten, schließlich die Enttarnung, irgendein lausiger Twist Richtung familiärer/sozialer Hintergrund und ein überlebendes Final Girl… nicht zu vergessen das teilweise Verschwinden des Killers und die Etablierung einer Fortsetzungsmöglichkeit, et voilà. Fertig ist der vorhersehbare, nichtssagende und unoriginelle Horror-Mist.

Nebenbei beeindrucken diese erschreckend zusammen geschusterten Produktionen mit unglaublich dämlichen Dialogen, katastrophalen Schauspielleistungen und einem abnorm reaktionären Subtext. Kein Wunder, dass dieser bei Scream ordentlich thematisiert und vor allem persifliert wurde. Tatsächlich sterben immer zuerst die Hemmungslosen, sexuell Aktiven, die Drogen nehmenden „Punks“ und die Rebellen. Überleben dürfen die Christlichen, Geerdeten, die sich solcherlei Ausschweifungen nicht hingeben. Das wäre gar nicht mal so tragisch – besaßen doch die teilweise genialen Terrorfilme der 70er Jahre auch reaktionäre und konservative Subtexte -, wenn diese Slasher dabei nicht so ungemein formalistisch und durch und durch vorhersehbar wären. Im Grunde genommen stellen sie tatsächlich eine Transkription des offenen, undogmatischen und progressiven Terrorfilms in formelle und dogmatische Genre-Regeln dar. Durch die Verengung der Topics des Horrorfilms auf einen klaren Handlungsrahmen sowie das Arbeiten mit Teenager-Protagonisten sind sie im Grunde genommen die erste Welle der Mainstream-Werdung des unabhängigen Horrorkinos.

Der formale strenge Rahmen lässt die Topoi des Independent Horrorfilms sanft im Popcornkino ankommen. Der gesellschaftskritische Subtext, sowie die Referenzen zum Arthouse-Kino – wie zum Beispiel bei Last House on the Left (1972) – werden ersetzt durch Konventionalisierung und Dingbarmachung für harmlose Horror-Unterhaltung. Gewalt, Terror und Körperlichkeit spielen zwar weiterhin eine wesentliche Rolle, werden jedoch verkürzt auf die Konventionen, die sich das Genre selbst schafft, zwischen High School, Abschlussball, Teenager-Sehnsüchten und netten Partys. Der Slasher bewirkt damit die Abkehr vom düsteren, pessimistischen Grundton des 70er Jahre Kinos hin zur Hedonisierung und Infantilisierung des Genres.. Ein Umstand, durch den die entstehenden Filme nur verlieren können, die zur überraschungsarmen, im schlimmsten Sinne des Wortes harmlosen Stangenware verkommen.

Der Splatterfilm und die B-Movies

Genau diese Problematik ist eine der Schwerwiegendsten des 80er Jahre Horrorfilms und wird in ihrer ganzen Tragik offensichtlich in dem Subgenre, das den Löwenanteil an beliebigen 80er Horrorflicks ausmacht: Den von Exploitation, Terrorfilm und Trash inspirierten B-Movies und Splatterprodukten, die den Direct to Video Markt der Dekade massenhaft überfluteten. Das independent Genre-Kino der 70er hatte scheinbar bewiesen, dass es wenig braucht, um erfolgreiche Horrorschocker zu produzieren. Von dieser utopischen Idee angestachelt schossen die billigen Studios und billigen Produktionen aus dem Boden des folgenden Jahrzehnts. Die 80er Jahre sind DIE Dekade der schnell zusammengeschusterten Trash-, Gore- und Splatterfilme. Das Problem dabei ist, dass die meisten Regisseure dieser Homemade-Schreckschusspistolen nie verstanden haben, warum der Terrorfilm der Marke The Hills have Eyes (1977) so erfolgreich war.

Das 70er Jahre Terrorkino lebte von seiner pessimistischen Grundhaltung, seinen düsteren Outsiderszenarien, seiner repressiven Atmosphäre, die ab einem gewissen Punkt immer in physische Gewalt umschlug. So brutal und explizit diese Gewalt auch war, gab sie sich doch nie visuellen Ergötzungen hin. Prototypisch dafür kann Tobe Hoopers Texas Chainsaw Massacre (1974) herangezogen werden. Trotz des reißerischen Titels und des klaren Gewalt-Topics bleibt der Schrecken lange ein Abstrakter, Vager und Alptraumhafter… das schließliche Umschlagen in tatsächliche physische Gewalt, der Angriff des Kettensägen schwingenden Leatherface ist ebenso direkt wie roh und vor allem abrupt. Es braucht keine lange Zeit für den Tod, die Vernichtung des menschlichen Körpers ist eine garstige, dreckige und kurze Angelegenheit. Im Zentrum stehen der Kampf ums Überleben, oder besser gesagt der Todeskampf, allerdings in einem urmenschlichen Sinne. Die Konzentration der Kamera gilt der Angst der Opfer, deren Kämpfen und deren Leiden, sowohl im psychischen als auch physischen als auch metaphysischen Sinne.

Die massenhaft produzierten Gore-Filme der 80er Jahre brechen diesen Kampf herunterauf das rein körperliche Moment und sogar noch stärker hinab zum fragmentiert Organischen. In den 80er Jahren wird aus dem Terror- der Splatter-Film. Beispiele derlei gibt es mehr als genug, genauer gesagt, unzählbar viele: Die ganzen in der vermeintlichen Tradition Romeros stehenden Zombiestreifen wie Ein Zombie hing am Glockenseil (1980) oder Hell of the Living Dead (1980), von denen wir zumindest dem ein oder anderen nochmal bei den kontroversesten Filmen des Jahrzehnts begegnen werden. Dann die ganzen Kannibalen-Flicks wie Cannibal Holocaust (1980) oder Cannibal Ferox (1981) um nur zwei bekannte Vertreter zu nennen. Hinzu kommen die sich immer weiter selbst übersteigernden Guinea Pig Streifen wie Flower of Flesh and Blood (1985), die parodistisch anmutenden Splatter-Orgien wie der (wirklich großartige) Evil Dead (1982) von Sam Raimi oder Bad Taste (1987) von Peter Jackson (beide Regisseure gelangen unbeschadet zum Mainstream-Kino, drehten im 21. Jahrhundert Spiderman und Herr der Ringe) und last but not least die zahllosen B-Movies aus allen Ländern der Erde, die ganze Videotheken-Regalen füllen und meist schon beim Anschauen wieder vergessen sind.

Gewaltpornographie

Gleich ist all diesen Filmen, dass sie – mal freiwillig, mal unfreiwillig – die Düsternis und das Dystopische des Gore-Films der 70er Jahre hinter sich lassen, ebenso dessen gesellschaftskritische, offensive Ausrichtung. Stattdessen verschiebt sich der Fokus auf das rein Körperliche. Der Horrorfilm wird zum Horrorporno, ganz ähnlich wie im richtigen Porno gelten die Dialoge und die Handlung nur als Brücken zwischen den Blut- und Gedärmexzessen, die den Großteil der Filmlänge füllen. Dabei weidet sich die Kamera geradezu am Auflösen des menschlichen Körpers, taucht tief hinab in Haut, Knochen, Blut und Eingeweide und ersetzt den psychischen und physischen Terror durch den reinen Ekel… wohlgemerkt, den Ekel als Entertainment-Faktor. Dabei ist es weniger die Angst vor Verletzung und Tod, die die Zuschauer thrillen soll, sondern viel mehr der Ekel vor der Offenbarung und Entblößung des fremden Körpers. Evident wird das, wenn man sich anschaut, wie oft diese Filme nicht nur mit Gewalt, sondern auch mit dem Ekel vor Exkrementen, Erbrochenem und grundsätzlich Ausgeschiedenem Arbeiten. Der wesentliche Punkt ist bei ihnen eben nicht ein Zuschauer-Transfer des Gesehenen auf das eigene Empfinden, sondern ein voyeuristisches Ergötzen an Blut und Innereien.

In diesem Zusammenhang ist der Begriff des Gewalt-Pornos auch durchaus angebracht, zugespitzt wohl in der abscheulichen Reihe Gesichter des Todes (1978 – 1990). Ganz ähnlich wie die Hardcore-Kamera die absolute, unmittelbare Nähe zu den menschlichen Genitalien sucht, sucht die Splatterkamera die absolute, unmittelbare Nähe zu den menschlichen Innereien. Der Körper wird nicht nur entblößt, sondern auch zerfleddert, und das alles zur Befriedigung der Zuschauergelüste, die weniger durch die Gewalt erreicht wird, sondern viel mehr durch eine voyeuristische Präsentation von fragmentierten, ekligen, menschlichen Bestandteilen. Folgerichtig haben Filme wie die deutschen Vertreter Violent Shit (1987) und Nekromantik (1987) nur noch wenig mit Horror gemein. Die Filme funktionieren nicht durch ihr Erschrecken, sondern viel mehr durch ihr Ergötzen; die Angst wird ersetzt durch eine obskure Form der Erotik: Eine Erotik des Inneren und Innersten, die Genitalisierung der physischen Zersetzung.

Der Horrorfilm zerfrisst sich selbst

Ist natürlich Geschmackssache, wie man das Ganze dann findet. Meine Reaktion ist eigentlich immer die selbe: Entweder Ekel oder Desinteresse… und beides muss ich bei einem Film nicht haben. Abgesehen von den grandiosen Evil Dead Teilen steht der Splatterfilm der 80er für mich für sehr viel, was im Horror-Genre dieser Dekade falsch gelaufen ist. Wie bei den billigen Teenie Slashern wurden Momente des Terrorkinos des vorangehenden Jahrzehnts übernommen, ohne dass diese verstanden wurden. Das extreme Kino wurde zu einer Witznummer, zu einer Selbstparodie, und die meisten Regisseure der damaligen Zeit haben das leider nie bemerkt. Stattdessen wurde Terror und Thrill mit Ekel-Tourismus verwechselt, die Gewaltspirale weiter Richtung Organik gedreht (bis sich mehr und mehr die Sittenwächter einklinkten) und schließlich verschlang sich das Independent Horrorkino selbst und spie sich wieder Richtung hinterste Videotheken-Ecke aus (wo es bis heute ein trauriges Dasein fristet).

Vielleicht ist das dann auch mit der Grund dafür, dass der Horrorfilm der 90er Jahre so desorientiert und permanent auf der Suche war. Den Ausweg fand er erst wieder bei der Rücknahme der Gore-Spirale und bei der Besinnung auf klassische Grusel-Tugenden. Der Terrorfilm führte lange Zeit ein Schattendasein, bis er zu Beginn des neuen Jahrtausends wieder reanimiert wurde: Unter anderem von den Hostels und Saws unserer Zeit (die das Genre genau so wenig wie ihre 80er Jahre Kollegen verstehen) und schließlich von der Nouvelle Vague des französischen Horrorfilms (die tatsächlich Filme sehr nah an der Atmosphäre der dunklen 70er generiert).

Dass die 80er herausragende Genre-Beiträge geliefert haben, steht außer Frage (noch einmal der Verweis auf die besten Horrorfilme des Jahrzehnts: I, II, III, IV, V, VI)
summa summarum waren sie jedoch gekennzeichnet durch einen erschreckend rüden, man könnte fast sagen, respektlosen Umgang mit dem Genre. Dieser hat das Spuk-, Terror- und Horror-Kino auf Jahre negativ geprägt. Lange Zeit hatten Horrorfilme per se den Ruf entweder langweilige Mainstream-Reihen, tumbe Teenie-Filme oder ekelhafte Splatterorgien zu sein, inklusive Dauerkonfrontation mit der BPjS und prüden Sittenwächtern. Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts konnte sich das Genre als Ganzes aus seiner Schockstarre befreien, davor jedoch mussten alle Horrorfreunde schlimme Zeiten erleben: Jeder Griff ins entsprechende Videothekenregal – verschämter als ein Blick in die Porno-Abteilung – barg die Gefahr Grütze in die Hand zu bekommen, jeder heiß erwartete Independent Hype-Film besaß das Risiko von prüden Sittenwächtern einkassiert zu werden, und bei jedem Blockbuster-Versuch eines großen Studios schienen entweder die Biederkeit oder Erfolglosigkeit bereits vorprogrammiert…

Dafür hatte der quantitative Overkill qualitativ minderwertiger Filme aber auch etwas für sich. Wenn man mal eine Perle entdeckte (und die gab es wie gesagt durchaus), konnte man richtig stolz auf sich sein. Nicht nur der Videoabend war gerettet, sondern man hielt einen kleinen Beweis in den Händen, dass das Genre eben doch zu was taugte, dass es zwar verseucht, aber nicht hoffnungslos verloren war. Ja, der Horrorfilm hat damals aus allen vielen Poren gestunken, tot war er jedoch nicht.

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Erstveröffentlichung: 2012